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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 7 (1. Januarheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Schöpfer und Verwerter
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Avenarius, Ferdinand: Heinrich Heine
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0270

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sicherlich besser werden. Geld herzugeben für eine Sache, die sich
nicht schon im nächsten Jahre verzinst, das ging uns Deutschen ja immer
rvider den Strich. Aber dann sagten die Neuerer: macht es doch so, laßt
das Urheberrecht nicht dreißig Jahre nach dem Tode erlöschen, son-
dern laßt es an jene große Stistung sallen, an den »Urheberschatz«.
Wenn vom Ertrage jeden verkausten Buches der deutschen Klassiker und
der Uebersetzungen der sremden, wenn vom Ertrage jeder Vorstellung
eines alten Dramas oder Tonstücks ein Prozent uns anheimfiele, so er-
höhte das die Preise nur um ein Hundertstel, d. h. um nichts, uns aber
brächte es Schütze ein, die schon sür einen Anfang genügten."

Der Alte hörte auf, er war schon ganz heiser geworden vom Reden.
„Wie's dann weiter kam, nun, das wissen wir ja beide. Junge, wenn
wir uns in die Zeit zurückdenken, als der Urheberschatz noch nicht be-
stand! Jetzt sreilich, da ist er ausgebildet, und wir dürfen's immerhin
sagen allen Fehlgriffen, Versäumnissen und Falschauszeichnungen zum
Trotz: daß die Schöpser auch wirklich schassen können und daß die
Schöpsungen vom Papiere hinaus ins Leben kommen, um weiter-
zuschaffen, dasür, gottlob, ist heute gesorgt. Aber es ist ein weiter
Weg zu uns von damals! Sreh mal diese alte Zeitschriftsnummer an:
»erstes Januarhest sffOO« ist sie datiert, und wie heißt der letzte Satz
im Leitartikel?

»Die wichtigste Ausgabe der deutschen Geisteskultur im zwanzigsten
Jahrhundert ist: zu bilden und auszubauen einen Urheberschatz zur Be-
sreiung des geistigen Schaffens der Nation vom Tages-Marktwerte.«"

Detnrick) Deine.

A.

Wir wollten über Heine nicht sprechen, ehe „die andern" gesprochen
hätten, denn gerade die Erörterungen über ihn dachten wir uns
interessant. Sie sind es nicht in dem Maße gewesen, wie wir erwartet
hatten. Als man vor einem Dutzend von Jahren das Heine-Denkmal
errichten wollte, hallte der Kamps um diesen Toten tosend bis ins letzte
Winkelblättchen hinein. Von den Zeitschristen, die sich an ein irgendwie
„besseres" Publikum wenden, müssen wir ja absehen, die sprechen natür-
lich auch heuer von Heine. Bezeichnender sür sein Verhältnis zur All-
gemeinheit ist aber die Tagespresse. Und hier brachten dieses Jahr nur
die Liberalen und die Demokraten seiernde Heine-Aussätze. Die übrigen
schwiegen oder lehnten kurz ab. Das ist der Unterschied. Er beweist
nur, daß die Entwicklung weiter gegangen ist, die damals schon da
war: man sieht Heine heute erst recht nur mit den Augen der Partei
an. Versuchen wir, ob es uns anders gelingt, so werden wir sagen
müssen, was wir schon oor zwols Jahren gesagt haben. Und wir
werden zu diesen selben Ergebnissen kommen, die weder rechts gesallen
noch „links". Vor allem übrigen werden wir herausheben müssen, was
uns auf beiden Seiten salsch und irreführend erscheint.

Da müssen wir zunächst den Herren zur Rechten bekennen, daß
wir keine Freunde von überslüssigen Sittsamkeits-Totengerichten sind,
wie sie dieses immer wiederholte Schelten auf Heines Lüderlichkeit be-
deutet. Heines Lüderlichkeit geht uns etwas an, aber ganz genau nur
so weit, wie sie sür die Beurteilung seiner Schristen in Frage kommt:

Kunstwart

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