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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1900)
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Bode, Wilhelm: Der Mann ohne Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0306

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dort pflanzen? „Der Mann von Roß." Wer schuf den Park mit seinem
Springbrunnen und seinen herrlichen Blicken in die Landschaft? Jmmer
wieder: „Der Mann von Roß."

Und blieb man etwas im Städtchen, so siel einem auf, wie gesittet
und gut geschult die Kinder waren, wie wenig Elend und Armut sich
zeigte, welche vorzügliche Wasserleitung da war, wie alles seinen glück-
lichen Gang ging. Und immer steckte der Mann von Roß dahinter.
Nur die Advokaten hatten eine schlechte Zeit dort, denn wenn die Leute
einen Streit hatten, gingen sie zu dem Manne von Roß, daß er ihn schlichte.
Fragte män, woher er denn all das Geld nehme, um die Dinge und
Menschen so umzuwandeln, so ersuhr man, daß er alle andern mitriß,
das ihre beizutragen, weil sie sahen, wie mäßig er selber seinen Besitz
genoß, welch großen Teil er den Mitmenschen opserte. Als der alte
Mann starb, war unter seinen Händen doch alles viel schöner und besser
in seiner Heimat geworden, als er's einst vorgefunden. Man begrub ihn
unter der Kanzel, aber man dachte nicht daran, seinen Namen auf den
Stein zu schreiben. Und weil man so gewöhnt war, ihn den Mann
von Roß zu nennen, wußten bald nur wenige, wer John Kchrle gewesen
war. An ein Denkmal dachte schon gar niemand.

Da kam einer von den wahren Denkmalbauern, und das sind
nicht die Komiteegründer, die Versasser der slammenden Ausruse, auch
nicht die Bildhauer und Erzgießer, auch nicht die Herren und Fürsten,
die das Andenken der Früheren zu ehren wünschen. Sondern es sind
die Dichter und großen Geschichtsschreiber; neben Denkmalsschassern wie
Homer, Shakespere, Schiller verschwindet ja ein Begas. Bei John Kyrle
war es Alexander Pope, der zusällig von ihm hörte und empört war,
daß man diesen Toten nicht deutlicher ehrte. Jn seiner dritten mora-
lischen Epistel, die den Gebrauch des Reichstums behandelt, stellte er
begeistert den Mann von Roß als leuchtendes Muster hin.

„Wer schuf aus kahlen Hügeln lust'ge Wälder

Und leitete die Quellen durch die einst dürren Felder?

Wer gab dem Wege Schatten und den Augen Freud'?

Wer setzte diese Bank, die uns Erholung beut?

Wer baute diesen Turm, wer plante jenes Schloß?

Es sagt uns jedes Kind: der Mann von Noß!"

So etwa beginnt der Dichter und er schließt entrüstet:

„Und wie? Kein Denkmal, keine Jnschrift, keinen Stein?

Und selbst sein Name soll oergessen sein?"

Das hat nun freilich der Dichter verhindert, denn in der ganzen
englischen Welt las man einst Popes Gedichte und dachte nun über den
kleinen Gutsbesitzer John Kyrle nach.

Aber Pope ist keiner von den Größten, und auf seinen moralischen
Episteln liegt schon oiel Staub. Schon schien es, als ob der Mann von
Roß doch wohl zum zweiten Mal begraben und vergessen würde. Aber
der Dichter ist ein Säemann, und etliches sällt üuf gutes Land und
bringt hundertfältige Frucht.

Da leben in London ein paar prächtige alte Fräulein, Miranda
Hill und Octavia Hill. Octavia ist auch in Deutschland schon lange
Aunstwart

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