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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 10 (2. Februarheft 1900)
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Bartels, Adolf: Die Deutsche Literatur und R. M. Meyer
DOI Artikel:
Schlaf, Johannes: Deutsche Individualität
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0387

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Meyer selber Stockschererianer ist, nach seiner eigenen Angabe haben ihn
Erich Schmidt, Paul Schlenther, Albert Köster, Albert Leitzmann, Otto
Pniower, Georg Bondi mit Rat unterstützt und Hilfe geleistet. Wenn
non allen diesen kein einziger den absolnt unwissenschaftlichen, rein seuil-
letonistischen Charakter des Werkes erkannte, dann — ist die Saat reis
und harrt des Schnitters. Adolf Bartels.

Deutsclie Andwtduulitär.

Man findet neuerdings, es sei wieder einmal an der Zeit, daß
sich unsere Literatur von allerlei Ausländerei sranzösischer, russischer oder
nordischer Art srei zu machen habe, und so etwas wie eine deutsch-
nationalc Reaktion ist seit einigen Jahren gegen diese sremdländischen
Einslüsse in vollem Gange.

Das wäre gut. Wir verkennen die Nützlichkeit derartiger Bestre-
bungen keineswegs. Wir gewahren und respektieren ihre innere Not-
wendigkeit; wir begrüßen in ihr gegenüber so manchem Pessimismus
jener ausländischen Einslüsse, gegenüber deren unkünstlerischer Analyse
und sogenannten Wissenschastlichkeit das Erwachen eines gesunden Kunst-
geistes. Wir sreuen uns ihrer um so mehr, als sie gegen eine bisher
vorwiegende sozialkritische Maulerei, gegen mancherlei dekadenten Lebens-
überdruß mit der Parole einer neuen Daseinsbejahung und Lebensfreudig-
keit austrumpste, und das rüstige Ja, das etwa ein Friedrich Nietzsche
dem Leben wieder zuries, scheint mir aus den gesundesten Tiesen des
deutschen Volkes zu kommen, so viel wir neuerlich auch immer gegen
Nietzsches Philosophie einzuwenden haben möchten. Dennoch aber müssen
wir uns sehr vorsehen, daß diese neue Reaktion nicht in die Enge patrio-
rischen Schlagworttums versimpelt, und vor nichts dürsen wir uns so
sehr hüten, wie vor der Phrase nationaler Philisterei, wie sie neuerlich
in so vielen Aussätzen und Broschüren ihre Brombeeren seil hält und wie
sie in Erscheinungen wie etwa den neueren, dynastisch-patriotischen Dramen
oder diesen jüngsten Märchenspielen mit dem verbrauchten Hausrat ihrer
romantischen Diktion nur zu dilettantisch-schablonenhast sich bethätigt.

Es wurde kürzlich im Bereich dieser nationalistischen Reaktion das
Schlagwort Gotik laut. Die Erneuerung der deutschen Dichtkunst
müsse aus der Gotik kommen. Man sand Gotik und Deutschtum gerade-
zu identisch.

Mag sich diese Altväterei aber auch noch so vertrauenerweckend, so
bieder und solid geberden, mag namentlich diesen garstigen Franzosen
gegenüber deutsche Zucht und Sitte noch so biderb und ehrensest mit
diesem Schlager in die Schranken treten: er ist und bleibt deshalb nichts
mehr und minder denn eben ein Schlager und die bedenklichste Philisterei.

Jch wüßte überhaupt gar nicht, was denn eigentlich so groß zu
retten wäre und weshalb es so gar von nöten, all dies rostige Rüstzeug
aus der Wassenkammer der Altväter hervorzukramen! Wir wollen diese
samose Gotik hier nicht bis auf die Nieren prüsen: ich wette, es würde
nichts dabei herauskommen, als die neueste Schrecknispsychose unseres
biederen deutschen Philistertums vor jedwedem Jnternationalismus ...

Und doch hat all dieser Zolaismus, dieser Jbsenismus mit all
seinem Naturalismus, mit all seinen naturwissenschastlichen und exakten

2. Februarheft ;yoo

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