Marianne: Nun, daß sie nach jemandem sucht, der — um sich —
nein, 's ist zu dumm, ich kann's garnicht aussprechen. Du, hat sie dich etwa
auch schon gesragt — was s
K l e i st (außer sich): Schweig!
Marianne: Wie — aber — „schweig" sagst du zu mir. — (Mit dem
Fuße aufstampfend) Ah! das ist stark. Nun spreche ich den ganzen Abend kein
Wort mehr mit dir. — (Ab nach rechts. Jn der Thür wendet sie sich noch
einmal, die Augen voller Thränen, sie zögert): Ah! — nein — gerade nicht! — (ab.)
(Henriette kommt langsam zu Kleist zurück, der Marianne mit verdüsterter
Miene nachblickt.)
Henriette: Kleist — das war sie. —
Kleist: Ach Henriette! — (Pause. Kleist läßt sich nieder, den Kopf
in den Hünden- Henriette tritt neben ihn und legt ihm die Hand aufs Haar.)
Henriette: Mein lieber Kleist!
Kleift (mit schmerzlichem Aufblicke): Henriette, wenn du wüßteft, wie
wehe mir um's Herz ift.
Henriette: Jch weiß es, mein Freund.
Kleist: Sage mir — wie kam's — (stockt.)
Henriette: Daß du dieses Mädchen zu lieben glaubtest —
meinst du das?
K l e i st: Ja, gerade das.
Henriette: Du hast sie nie geliebt. — Du warst in ein Bild ver-
liebt, das du dir von ihr zurechtgemacht.
Kleist: Wie — wer sagte dir das s
Henriette: Liebe ist nichts als Egoismus. — Du liebst nur immer
dich selbst auch im Anderen. — Du liebst das Glück, das du im Anderen zu
finden wähnst.
Kleist: Halt! — Laß mich dem nachsinnen.
Henriette: Deine Liebe war noch schlimmer als Selbstbetrug. —
Du betrogst auch sie. — Du brauchtest sie — sie sollte dich über deinen Schmerz
hinwegtäuschen — dich betäuben. — Kleist, soll ich dir die volle Wahrheit
fagen?-- du liebteft sie aus — Furcht. —
Kleist: Henriette! — Welch ein Geift bist du!
Henriette: Mein armer Kleist — einer — der dir so gerne helfen möchte.
Kleist: Sag mir — Henriette — was soll nun werdens
Henriette: Was werden foll? Das will ich Dir fagen. Entweder
du fchickst dich drein — ergibft dich — heiratest sie, und lebst behaglich im
goldenen Käfig — machst die Augen fest zu, um nichts zu fehen — versinkst
allmählich im Schlamme des Alltags.-- O, Kleist! — Jch werde das nicht
erleben — aber — zu denken — daß du dahin kommen könntest — du! Das
könnte mir die Seligkeit des Sterbens felbst verbittern. —
Kleist: Sei ruhig! — Dazu kommsts nicht. — Ehe ich mich so er-
niedrige — nein! dann lieber die Masten kappen — und das Wrak versenken.
IKundschau
Dichtung.
* Karl Theodor Gaedertz'
zahlreiche literaturhistorische Werke
haben als fleißige Stofffammlungen
unzweifelhaft ihren Wert, so auch das
Buch „Aus Fritz Reuters alten
und jungen Tagen", dessen erster Band
soeben in dritter Auflage (Wismar,
Hinstorff) erschienen ist. Da haben wir
2. Februarheft t9vo
nein, 's ist zu dumm, ich kann's garnicht aussprechen. Du, hat sie dich etwa
auch schon gesragt — was s
K l e i st (außer sich): Schweig!
Marianne: Wie — aber — „schweig" sagst du zu mir. — (Mit dem
Fuße aufstampfend) Ah! das ist stark. Nun spreche ich den ganzen Abend kein
Wort mehr mit dir. — (Ab nach rechts. Jn der Thür wendet sie sich noch
einmal, die Augen voller Thränen, sie zögert): Ah! — nein — gerade nicht! — (ab.)
(Henriette kommt langsam zu Kleist zurück, der Marianne mit verdüsterter
Miene nachblickt.)
Henriette: Kleist — das war sie. —
Kleist: Ach Henriette! — (Pause. Kleist läßt sich nieder, den Kopf
in den Hünden- Henriette tritt neben ihn und legt ihm die Hand aufs Haar.)
Henriette: Mein lieber Kleist!
Kleift (mit schmerzlichem Aufblicke): Henriette, wenn du wüßteft, wie
wehe mir um's Herz ift.
Henriette: Jch weiß es, mein Freund.
Kleist: Sage mir — wie kam's — (stockt.)
Henriette: Daß du dieses Mädchen zu lieben glaubtest —
meinst du das?
K l e i st: Ja, gerade das.
Henriette: Du hast sie nie geliebt. — Du warst in ein Bild ver-
liebt, das du dir von ihr zurechtgemacht.
Kleist: Wie — wer sagte dir das s
Henriette: Liebe ist nichts als Egoismus. — Du liebst nur immer
dich selbst auch im Anderen. — Du liebst das Glück, das du im Anderen zu
finden wähnst.
Kleist: Halt! — Laß mich dem nachsinnen.
Henriette: Deine Liebe war noch schlimmer als Selbstbetrug. —
Du betrogst auch sie. — Du brauchtest sie — sie sollte dich über deinen Schmerz
hinwegtäuschen — dich betäuben. — Kleist, soll ich dir die volle Wahrheit
fagen?-- du liebteft sie aus — Furcht. —
Kleist: Henriette! — Welch ein Geift bist du!
Henriette: Mein armer Kleist — einer — der dir so gerne helfen möchte.
Kleist: Sag mir — Henriette — was soll nun werdens
Henriette: Was werden foll? Das will ich Dir fagen. Entweder
du fchickst dich drein — ergibft dich — heiratest sie, und lebst behaglich im
goldenen Käfig — machst die Augen fest zu, um nichts zu fehen — versinkst
allmählich im Schlamme des Alltags.-- O, Kleist! — Jch werde das nicht
erleben — aber — zu denken — daß du dahin kommen könntest — du! Das
könnte mir die Seligkeit des Sterbens felbst verbittern. —
Kleist: Sei ruhig! — Dazu kommsts nicht. — Ehe ich mich so er-
niedrige — nein! dann lieber die Masten kappen — und das Wrak versenken.
IKundschau
Dichtung.
* Karl Theodor Gaedertz'
zahlreiche literaturhistorische Werke
haben als fleißige Stofffammlungen
unzweifelhaft ihren Wert, so auch das
Buch „Aus Fritz Reuters alten
und jungen Tagen", dessen erster Band
soeben in dritter Auflage (Wismar,
Hinstorff) erschienen ist. Da haben wir
2. Februarheft t9vo