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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1900)
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Batka, Richard: Musikfeste
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Grunsky, Karl: Hugo Wolfs spanisches Liederbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0028

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saal verpflanzen ist nahezu Barbarei. Aber die weltliche Musik, die
Madrigale und Lieder des s6. Jahrhunderts, die Orchesterkanzonen Ga-
brielis, die Partiten der deutschen Pfeiferschule — die gehören vor allem
auf Musikfeste. Und hier wäre ein Punkt, wo die Kunst der Wissen-
schaft die Hand bieten könnte. Belehrende Vorträge müßten mit üffent-
lichen Debatten über die bewegendcn Grund- und Zeitfragen wcchseln und
neben der Freude am lebendigen Genießen der Kunstwerke auch das
Nachdenken über das Vernommene kräftig anregen. Wenn Musikfestc in
diesem Sinne an der Spitze unserer Musikpflege schreiten, menn sie
Anregungen nach allen Seiten geben, die üde Konzert-Plusmacherei
vermeiden und einen eigenartigen Charakter sich bewahren, dann wird
die Frage, ob wir sie brauchen, recht bald verstummen.

RichardBatka.

Dugo Molks Spuniscbes Liederbucb.

Das Lied ist ein zartes, blumengleiches Gcbilde, dessen Reize man nicht
gut in Worte einsängt; es gleicht auch dariu der Blume, daß die Gestalt nicht
alles offenbart- Wic feinen Duft eratmen wir die Seele des Liedes: bald
deutlicher, bald schwächer — oder, wenn unser Sinn vergröbert ist, auch
gar nicht. So ist es eigentlich nur da möglich, über musikalische Lyrik zu
reden, wo der Blumenwürzgeruch des ganzen Gartens die Sinne derer
bezaubert, zu denen man spricht. Denn erst nach lebendigen Eindrückcn haben
Beweise aus Gestalt und Farbe und Duft der Liederblüten ihren vollen Sinn.
Aber wenn wir auch bloß erzählen können — schon dic erregte Erzählung vcr-
mag viellcicht nach ähnlichcm Erlebnisse lüstern zu machcn.

Wolfs „Spanisches Liederbuch" * enthält cinen Strauß buntgearteter
Lieder, die sich bei aller Verschiedeuheit doch zu einheitlichem Aroma ver-
schmelzen. Sie glühen in südlichcr Leidenschaftlichkeit, und die erregtercn
Lebenspulse schlagen in prickelnden Nhythmen. Gilt dics schon weniger von
den Gcsängen des ^Jtalienischen Liedcrbuchs", dercn Erotik vcrfcincrte Ge-
sühlswelt zeugt, so gilt es kaum von dcn großcn Zyklen dcr Mocrike-
und Goethelieder, die ein ganzes Leben voll dcr mannigfaltigsten Ereig-
nisse umspannen und ihnen die tiefest inncrliche Dcutung abgewinnen. Dabci
hat Wolf die berauschcnde Schwärmerci Moerikes und die kräftig-klare Be-
sonnenheit Goethes wohl in der Musik unterschieden und bewahrt; denn er
charakterisiert nicht bloß das Gedicht, sondern auch den Dichter. Obwohl im
Spanischen Liederbuch, das Heyse und Gcibel übersehtcn (die zmeite Auflage
erfchien 1852), viele Dichter prangen, außer den Ungenannten z. B. Lopc de
Vega, Cervantes, Gil Vicente, Louis de Camoens, hat Wolf den Geist, der
ihnen allen gemeinsam ist, zu künstlerischer Einheit gebannt. An was die
srühercn Koniponisten der spanischen Lieder, ein Schumann, Brahms, Jensen,
nicht so entschieden dachten: das kulturhistorische Elemcnt ist hier ausgiebig zur
Stilisierung benützt worden. Und zwar ist es vor allcm die katholische Glut
religiöser Empfindung, die Wols zu den geistlichen Liedern hingerisscn hat.

* Wie alle Wolfschen Kompositioncn im Verlage von Hcckel in Mann-
heim erschiencn. Preis: das ganze Werk t9 Mk., dic gcistlichen Lieder allcin
5,25 Mk., die weltlichcn 15 Mk. Außerdcm gibt es s Heftausgaben: 2 geistlichc
zu je 2,75 Mk., 4 weltliche zu je 4,25 Mk., mit Ausnahmc des letztcn, das
-I Mk. kostet.

Kunstwart
 
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