aber vorbei war's damit in der Kunstgeschichte noch lange nicht. Es
ist noch eine Menge Zeit an solche Tändeleien verschwendet worden, und
noch heute gibt's manchen Fabrikanten, der darin seinen idealen Lebens-
zweck steht. Man sollte aus jener ersten Verirrung die Lehre ziehen:
Keine Kunstfertigkeit, und sei sie noch so virtuos, ist künstlerisch gerecht-
fertigt, wenn sie beim lebendigen Erfassen eines Musikstücks nicht, ohne
theoretische Spekulation, einfach durchs Ohr aufgenommen werden kann.
Alles, was bloß auf dem Papier steht, ist wertloser Plunder, der mit
Kunst nicht das Geringste zu thun hat. Es muß Alles sich in lebendig
wirkende Kraft umsetzen.
Schon die Niederländer verstanden das. Jhre „Künste", wegen
deren ste lange Zeit verschrieen waren, sind durchaus nicht ihre Haupt-
leistung und wurden von den meisten ihrer Tonsetzer sehr rasch und
glücklich überwunden. Allerdings auch fernerhin blieb ja das „Setzen"
die eigentliche Aufgabe. „Erfinderisch" thätig zu sein hatten die Kom-
ponisten viel weniger, da sie zunächst aus dem reichen Material des
gregorianischen Chorals und des Volkslieds ihr Thema schöpfen konnten.
Aber die kaum übersehbare Literatur der Chormusik, die sich auf diesem
Grunde aufbaut, hat absoluten, nicht bloß relativen Wert und darf auch
heutzutage noch beanspruchen, von den wirklichen Freunden der Musik
gekannt zu sein. Unsere Chorinstitute, Kirchenchöre wie Gesangvereine,
haben gegenüber diesen Schätzen Pflichten, zu deren Erfüllung sie noch
Jahrzehnte brauchen werden und deren Notwendigkeit schon aus mustk-
pädagogischen Gründen eingesehen werden müßte. Jch kann hier auf
den erzieherischen Wert dieser Literatur für den Chorgesang nicht ein-
gehen; man wird für alle Zeit in der Bewältigung der hier vor-
liegenden Aufgaben, die an die rein gesangliche wie künstlerische Seite
die höchsten, aber stets natürliche Anforderungen stellen, den eigentlichen
Prüfstein seiner Leistungsfähigkeit erblicken müssen.
Nur einige Winke für die Ausführung und das Verständnis der
Tonwerke jener Zeit seien das nächste Mal gegeben, da erfreulicher
Weise die Beschäftigung mit dieser Kunst wieder mehr Freunde zu finden
scheint, obwohl das richtige Verhältnis von Angebot und Nachfrage noch
nicht wieder erreicht ist. Georg Göhler.
Ikullurarbetten. 2.
Heut Einiges, wooon sich ohne Bilder sprechen läßt.
Nah meiner Wohnung steht ein großes, altes, gut angelegtes Haus
auf der Höhe über dem Flusse. An seiner Westseite fallen die Funda-
mente steil zum Wasser ab, an der Ostseite zieht eine schmale Straße
vorbei, auf der Nordseite liegt eine Terrasse, auf der sich ein Gärtchen
ausbrcitet, nach Süden zu erstreckt sich ebenfalls ein Gärtchen, das dem
Berghang zugewendet ist. Die West- und besonders die Nordseite haben
wundervolle Blicke weit über das ganze Thal hinweg. Jetzt pflanzt
man an der Nordseite Kastanienbäume an. Wenn sie groß geworden
sind, versperren sie dem Hause und der Nachbarschaft jeden Blick ins
Thal, geben aber keinen Schatten, denn der fällt, soweit er sich an der
Nordseite überhaupt noch besonders bilden kann, ins Thal hinunter.
Hätte man die Bäume auf der Südseite gepflanzt, so würde die Aus-
sicht nicht versperrt werden, aber man hätte ein schattiges Plätzchen für
2. Bktoberheft iguu
ist noch eine Menge Zeit an solche Tändeleien verschwendet worden, und
noch heute gibt's manchen Fabrikanten, der darin seinen idealen Lebens-
zweck steht. Man sollte aus jener ersten Verirrung die Lehre ziehen:
Keine Kunstfertigkeit, und sei sie noch so virtuos, ist künstlerisch gerecht-
fertigt, wenn sie beim lebendigen Erfassen eines Musikstücks nicht, ohne
theoretische Spekulation, einfach durchs Ohr aufgenommen werden kann.
Alles, was bloß auf dem Papier steht, ist wertloser Plunder, der mit
Kunst nicht das Geringste zu thun hat. Es muß Alles sich in lebendig
wirkende Kraft umsetzen.
Schon die Niederländer verstanden das. Jhre „Künste", wegen
deren ste lange Zeit verschrieen waren, sind durchaus nicht ihre Haupt-
leistung und wurden von den meisten ihrer Tonsetzer sehr rasch und
glücklich überwunden. Allerdings auch fernerhin blieb ja das „Setzen"
die eigentliche Aufgabe. „Erfinderisch" thätig zu sein hatten die Kom-
ponisten viel weniger, da sie zunächst aus dem reichen Material des
gregorianischen Chorals und des Volkslieds ihr Thema schöpfen konnten.
Aber die kaum übersehbare Literatur der Chormusik, die sich auf diesem
Grunde aufbaut, hat absoluten, nicht bloß relativen Wert und darf auch
heutzutage noch beanspruchen, von den wirklichen Freunden der Musik
gekannt zu sein. Unsere Chorinstitute, Kirchenchöre wie Gesangvereine,
haben gegenüber diesen Schätzen Pflichten, zu deren Erfüllung sie noch
Jahrzehnte brauchen werden und deren Notwendigkeit schon aus mustk-
pädagogischen Gründen eingesehen werden müßte. Jch kann hier auf
den erzieherischen Wert dieser Literatur für den Chorgesang nicht ein-
gehen; man wird für alle Zeit in der Bewältigung der hier vor-
liegenden Aufgaben, die an die rein gesangliche wie künstlerische Seite
die höchsten, aber stets natürliche Anforderungen stellen, den eigentlichen
Prüfstein seiner Leistungsfähigkeit erblicken müssen.
Nur einige Winke für die Ausführung und das Verständnis der
Tonwerke jener Zeit seien das nächste Mal gegeben, da erfreulicher
Weise die Beschäftigung mit dieser Kunst wieder mehr Freunde zu finden
scheint, obwohl das richtige Verhältnis von Angebot und Nachfrage noch
nicht wieder erreicht ist. Georg Göhler.
Ikullurarbetten. 2.
Heut Einiges, wooon sich ohne Bilder sprechen läßt.
Nah meiner Wohnung steht ein großes, altes, gut angelegtes Haus
auf der Höhe über dem Flusse. An seiner Westseite fallen die Funda-
mente steil zum Wasser ab, an der Ostseite zieht eine schmale Straße
vorbei, auf der Nordseite liegt eine Terrasse, auf der sich ein Gärtchen
ausbrcitet, nach Süden zu erstreckt sich ebenfalls ein Gärtchen, das dem
Berghang zugewendet ist. Die West- und besonders die Nordseite haben
wundervolle Blicke weit über das ganze Thal hinweg. Jetzt pflanzt
man an der Nordseite Kastanienbäume an. Wenn sie groß geworden
sind, versperren sie dem Hause und der Nachbarschaft jeden Blick ins
Thal, geben aber keinen Schatten, denn der fällt, soweit er sich an der
Nordseite überhaupt noch besonders bilden kann, ins Thal hinunter.
Hätte man die Bäume auf der Südseite gepflanzt, so würde die Aus-
sicht nicht versperrt werden, aber man hätte ein schattiges Plätzchen für
2. Bktoberheft iguu