die ganze Welt verbreitet ist, haben es unzweifelhaft mit großem Geschick
auf russische Verhältnisse angewandt. Jch liebe es nicht, da es ernste Dinge
ohne Ernst behandelt, und halte auch seinen oft behaupteten gesellschaft-charak-
terisierenden Wert für gering — manches von Tschechoff ist aber harmlos
und sehr hübsch, so seine Kinder- und Tiergeschichten. Adolf Bartels.
/Ivusik-Gescblcbte. 5.
Mensuralmusik.
iPraktischc Wtnke für die Gegenwart.)
Wir fassen zunächst nur die kirchliche Musik ins Auge, Messen,
Motetten und ähnliche Tonstücke. Für die Aufführung solcher Stücke ist
nach meiner Meinung vor allem einmal die lateinische Sprache bei-
zubehalten. Obwohl auf das Wort in dieser alten Musik nicht so
viel wie heutzutage ankommt, ja die Textunterlage sogar in der ersten
Zeit sehr willkürlich gemacht wurde, scheint mir der Tonsatz unbedingt
die ja auch viel weichere und klangvollere lateinische Sprache schon des-
halb zu fordern, weil die vielen Textwiederholungen, die Zerstückelung
der einzelnen Satzteile bei der Unterlegung einer zudem oft gekünstelten
Uebersetzung unschön wirken. Die einzelnen Sätze haben meist sehr wenig
Text; wenn man den im Original nebst Uebersetzung dem Publikum in
die Hand gibt und dieses sich über den Jnhalt im allgemeinen orientiert,
so genügt das vollkommen. Bei der Aufführung treten der Tonsatz und
der Chorklang in ihre Rechte, und ihnen wende sich die Aufmerksamkeit
des Hörers zu. Damit dieser nun ein rechtes Bild von dem Stücke er-
halte, haben die Chordirigenten vor allen Dingen gewisse Dinge zu be-
achten, über die ich hier etwas schulmeistern muß, weil an der unzu-
länglichen Aufführung der Stücke das Verständnis der Hörer meist scheitert:
s. Jn der alten Mensuralmusik galten andere Notenwerte als Zähl-
zeiten als bei uns. Wir müssen also, wenn wir für das Auge ein Bild
und für das Ohr einen Klang haben wollen, der den gewollten Ein-
druck gibt, alle Notenwerte um die Hälfte, ja im dreiteiligen Takt um
den vierten Teil verkürzen I Das ist wichtiger als man denkt, ist vor
allen Dingen für das Auge des Chorsängers wichtig, dem dadurch die
alten Werke viel mehr menschlich nahe rücken, denn er sieht dann alles
in der ihm geläufigen Schrift. Das ist auch so eine Wahrheit, und
noch dazu eine sehr praktische, auf die seit langen Jahren hingewiesen
wird, (ich muß wieder Hugo Riemann als ihren eigentlichen Vertreter
nennen), — und der zum Trotz doch mit Gemütsruhe, ja mit ab-
sichtlicher Dickköpfigkeit und Beschränktheit eine praktische Neu-Ausgabe
nach der andern veranstaltet wird, ohne daß man ihre einfache Lehre
beachtet. Die Folge ist, daß man selbst von hochberühmten Chören
alte Tonsätze in einer geradezu sinnwidrigen Weise gesungen hören kann.
Alles noch einmal so langsam, als der Komponist gewollt hatl Datz sich
das Publikum langweilt, ist das dann ein Wunder?
2. Die alte Mensuralmusik, die bekanntlich nur in einzelnen
Stimmheften, nicht in Partituren überliefert ist, ist vollständig ohne
Taktstriche aufgezeichnet. Dies muß für die Aufführungen, die wir jetzt
veranstalten, stets im Auge behalten werden, obwohl wir natürlich für
unsere Neudrucke die Taktstriche nicht entbetzren können. Der Chor muß
Vonstwart . -
auf russische Verhältnisse angewandt. Jch liebe es nicht, da es ernste Dinge
ohne Ernst behandelt, und halte auch seinen oft behaupteten gesellschaft-charak-
terisierenden Wert für gering — manches von Tschechoff ist aber harmlos
und sehr hübsch, so seine Kinder- und Tiergeschichten. Adolf Bartels.
/Ivusik-Gescblcbte. 5.
Mensuralmusik.
iPraktischc Wtnke für die Gegenwart.)
Wir fassen zunächst nur die kirchliche Musik ins Auge, Messen,
Motetten und ähnliche Tonstücke. Für die Aufführung solcher Stücke ist
nach meiner Meinung vor allem einmal die lateinische Sprache bei-
zubehalten. Obwohl auf das Wort in dieser alten Musik nicht so
viel wie heutzutage ankommt, ja die Textunterlage sogar in der ersten
Zeit sehr willkürlich gemacht wurde, scheint mir der Tonsatz unbedingt
die ja auch viel weichere und klangvollere lateinische Sprache schon des-
halb zu fordern, weil die vielen Textwiederholungen, die Zerstückelung
der einzelnen Satzteile bei der Unterlegung einer zudem oft gekünstelten
Uebersetzung unschön wirken. Die einzelnen Sätze haben meist sehr wenig
Text; wenn man den im Original nebst Uebersetzung dem Publikum in
die Hand gibt und dieses sich über den Jnhalt im allgemeinen orientiert,
so genügt das vollkommen. Bei der Aufführung treten der Tonsatz und
der Chorklang in ihre Rechte, und ihnen wende sich die Aufmerksamkeit
des Hörers zu. Damit dieser nun ein rechtes Bild von dem Stücke er-
halte, haben die Chordirigenten vor allen Dingen gewisse Dinge zu be-
achten, über die ich hier etwas schulmeistern muß, weil an der unzu-
länglichen Aufführung der Stücke das Verständnis der Hörer meist scheitert:
s. Jn der alten Mensuralmusik galten andere Notenwerte als Zähl-
zeiten als bei uns. Wir müssen also, wenn wir für das Auge ein Bild
und für das Ohr einen Klang haben wollen, der den gewollten Ein-
druck gibt, alle Notenwerte um die Hälfte, ja im dreiteiligen Takt um
den vierten Teil verkürzen I Das ist wichtiger als man denkt, ist vor
allen Dingen für das Auge des Chorsängers wichtig, dem dadurch die
alten Werke viel mehr menschlich nahe rücken, denn er sieht dann alles
in der ihm geläufigen Schrift. Das ist auch so eine Wahrheit, und
noch dazu eine sehr praktische, auf die seit langen Jahren hingewiesen
wird, (ich muß wieder Hugo Riemann als ihren eigentlichen Vertreter
nennen), — und der zum Trotz doch mit Gemütsruhe, ja mit ab-
sichtlicher Dickköpfigkeit und Beschränktheit eine praktische Neu-Ausgabe
nach der andern veranstaltet wird, ohne daß man ihre einfache Lehre
beachtet. Die Folge ist, daß man selbst von hochberühmten Chören
alte Tonsätze in einer geradezu sinnwidrigen Weise gesungen hören kann.
Alles noch einmal so langsam, als der Komponist gewollt hatl Datz sich
das Publikum langweilt, ist das dann ein Wunder?
2. Die alte Mensuralmusik, die bekanntlich nur in einzelnen
Stimmheften, nicht in Partituren überliefert ist, ist vollständig ohne
Taktstriche aufgezeichnet. Dies muß für die Aufführungen, die wir jetzt
veranstalten, stets im Auge behalten werden, obwohl wir natürlich für
unsere Neudrucke die Taktstriche nicht entbetzren können. Der Chor muß
Vonstwart . -