spielenden bekannten Pcrsonen, sondern eben das Lokale, der stete Bezug auf
Weimar, seine volkstümlichen Gestalten, seine Straßen und Plätze u. s. w.,
während doch der Gegensatz zwischen Johann Friedrich und Moritz den Blick
in die Weite öffnete. Dergleichen nun — und eben das ist der Grund, wes-
halb ich hier von der Sache rede, die ja an und für sich wenig genug bedeutet —
dergleichen lietze sich überall in Deutschland hin und wieder machen, und es
wirkte zur künstlerischen Erziehung vielleicht günstiger, als z. B. die Luther-
festspiele, denen ihre viel grötzere autzerpoetische Aufgabe einen bestimmten
Stil aufzwingt, während hier die grötzte Mannigfaltigkeit herrschen kann. An-
statt also gleich an die Berliner Theater zu denken, mögen die Dramatiker
unter dcn Heimatkünstlern zunächst solche bescheidenen Aufgaben lösen, die ihnen
immer und überall gestellt werden dürften, sobald nur die hochlöblichen Fest-
ausschüsse begreifen, daß Festzug und Kommers doch bei größeren Feierlich-
keiten kaum genügende Beranstaltungen sind. Aber aus Leben und
Geschichte frisch heraus muß jedes solche Festspiel genommen sein; dann
kann auch der Geist, der es trägt und den es bringt, nach und nach die
provinziellen Theater etwas beeinflussen und wenigstenS hier und da ein wcrt-
volles ernstes Stück auf sie hinaufführen, ohne datz es den Berliner Premieren-
Stempel empfangen hätte. Adolf Bartels.
Das Moloncell in der bäuslicben /Dustkpllege.
Man kann sagen: unter den musikalischen Jnstrumenten hat das
Klavier am meisten metallischen Klang und am meisten Tonfülle, die
Violine am meisten Glanz, die Viola am meisten Mgstik und das Violon-
cell am meisten Gemüt. Die Viola und das Violoncell erinnern an
altholländische Malerei, die Violine mit ihrem verschleierten, „in Grau
gcmalten" Ton an Rembrandt, das Violoncell an van Dhck. Und wie
von diesen beiden Malern Rembrandt der Demokrat, van Dyck der Aristo-
krat ist, so ist in der Musik die Viola ein gewissermaßen demokratisches, das
Violoncell ein aristokratischcs Jnstrument. Dieses kommt von allcn musi-
kalischen Jnstrumenten der menschlichen Stimme am nächsten, es hat am
meisten Seele, es spricht die beredteste Sprache, es hat am meisten Ge-
sangston. Auch die Klarinctte ahmt dcn menschlichen Gesang vortreff-
lich nach, aber im Vergleich zum Violoncell-Ton ist der ihrige kalt,
nüchtern, nicht menschlich gcnug, nicht vibrierend genug. Denn der Vio-
loncellton scheint zu klingen wie die Seele selbst; alle menschlichen Sen-
sationen vermag er auszusprechen und immer in einer Weise, daß man
das Zittern der menschlichen Seele zu hören glaubt; er hat sozusagen
Nerv, er scheint selbst tünender menschlicher Nerv zu sein. Dabei ist das
Violoncell so vielseitig, daß es die ganze Skala der menschlichen Em-
pfindungen und Leidenschaften beherrscht; nicht also nur sein Tonumfang
ist bedcutend, sondern auch der Umfang des menschlichen Seelenlebens,
den es beherrscht. Es hat auf der einen Seite, wie der Engländer sagt
^bock)-", das heißt Gehalt; cs hat oder kann habcn cinen „saftigen"
Ton und es kann dementsprechend Kraftfülle künden; sein Ton ist, wie
man auch sagen kann, „rund"; er „steht' wie der Orgelton, an den er
in manchcn Lagen in der That erinnert. Auf der anderen Seite ist
gcradc dcm Violoncclltonc eine Sensibilität eigcn; das Sensitive ist seine
Sphäre; die deliknte und dclikateste Empfindung vermag er auszusprechen.
2. Novemberheft iyoo
— 133 —
Weimar, seine volkstümlichen Gestalten, seine Straßen und Plätze u. s. w.,
während doch der Gegensatz zwischen Johann Friedrich und Moritz den Blick
in die Weite öffnete. Dergleichen nun — und eben das ist der Grund, wes-
halb ich hier von der Sache rede, die ja an und für sich wenig genug bedeutet —
dergleichen lietze sich überall in Deutschland hin und wieder machen, und es
wirkte zur künstlerischen Erziehung vielleicht günstiger, als z. B. die Luther-
festspiele, denen ihre viel grötzere autzerpoetische Aufgabe einen bestimmten
Stil aufzwingt, während hier die grötzte Mannigfaltigkeit herrschen kann. An-
statt also gleich an die Berliner Theater zu denken, mögen die Dramatiker
unter dcn Heimatkünstlern zunächst solche bescheidenen Aufgaben lösen, die ihnen
immer und überall gestellt werden dürften, sobald nur die hochlöblichen Fest-
ausschüsse begreifen, daß Festzug und Kommers doch bei größeren Feierlich-
keiten kaum genügende Beranstaltungen sind. Aber aus Leben und
Geschichte frisch heraus muß jedes solche Festspiel genommen sein; dann
kann auch der Geist, der es trägt und den es bringt, nach und nach die
provinziellen Theater etwas beeinflussen und wenigstenS hier und da ein wcrt-
volles ernstes Stück auf sie hinaufführen, ohne datz es den Berliner Premieren-
Stempel empfangen hätte. Adolf Bartels.
Das Moloncell in der bäuslicben /Dustkpllege.
Man kann sagen: unter den musikalischen Jnstrumenten hat das
Klavier am meisten metallischen Klang und am meisten Tonfülle, die
Violine am meisten Glanz, die Viola am meisten Mgstik und das Violon-
cell am meisten Gemüt. Die Viola und das Violoncell erinnern an
altholländische Malerei, die Violine mit ihrem verschleierten, „in Grau
gcmalten" Ton an Rembrandt, das Violoncell an van Dhck. Und wie
von diesen beiden Malern Rembrandt der Demokrat, van Dyck der Aristo-
krat ist, so ist in der Musik die Viola ein gewissermaßen demokratisches, das
Violoncell ein aristokratischcs Jnstrument. Dieses kommt von allcn musi-
kalischen Jnstrumenten der menschlichen Stimme am nächsten, es hat am
meisten Seele, es spricht die beredteste Sprache, es hat am meisten Ge-
sangston. Auch die Klarinctte ahmt dcn menschlichen Gesang vortreff-
lich nach, aber im Vergleich zum Violoncell-Ton ist der ihrige kalt,
nüchtern, nicht menschlich gcnug, nicht vibrierend genug. Denn der Vio-
loncellton scheint zu klingen wie die Seele selbst; alle menschlichen Sen-
sationen vermag er auszusprechen und immer in einer Weise, daß man
das Zittern der menschlichen Seele zu hören glaubt; er hat sozusagen
Nerv, er scheint selbst tünender menschlicher Nerv zu sein. Dabei ist das
Violoncell so vielseitig, daß es die ganze Skala der menschlichen Em-
pfindungen und Leidenschaften beherrscht; nicht also nur sein Tonumfang
ist bedcutend, sondern auch der Umfang des menschlichen Seelenlebens,
den es beherrscht. Es hat auf der einen Seite, wie der Engländer sagt
^bock)-", das heißt Gehalt; cs hat oder kann habcn cinen „saftigen"
Ton und es kann dementsprechend Kraftfülle künden; sein Ton ist, wie
man auch sagen kann, „rund"; er „steht' wie der Orgelton, an den er
in manchcn Lagen in der That erinnert. Auf der anderen Seite ist
gcradc dcm Violoncclltonc eine Sensibilität eigcn; das Sensitive ist seine
Sphäre; die deliknte und dclikateste Empfindung vermag er auszusprechen.
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