Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1901)
DOI Artikel:
Bartels, Adolf: Von deutscher Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0372

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von äeutscker Literatur.

Die Annahme, daß sich die arische Rasse im europäischen Norden,
inmitten der Gletscherberge und auf den felsigen Ebenen Skandinaviens
gebildet habe, ist in neuerer Zeit immer allgemeiner geworden, und
insbesondere der nordische Ursprung der Germanen wird kaum noch
bestritten. Sie sind cin Volk durchaus nordischen Charakters, nicht nur
ihrer Erscheinung, sondcrn auch ihrcr seelischen und geistigen Anlage
nach; auch von den germanischen Südstämmen, denen, die in den
Stürmen der Vblkerwanderung zu Grunde gingen. und dcnen, die sich
später zum deutschen Volke zusammenschlosscn, möchte man glauben, daß
ihncn in den Tagen ihres Kindheitzeitalters die Mitternachtssonne
leuchtete und die von Polarlichtern durchzuckte ewige Winternacht sie
umfing, daß sie die fürchterliche Eiswelt des Nordens umdrohte und die
wie mit einem Zauberstabe das reichste Lcben cntfaltende Sonnenglut
des kurzen nordischen Sommers zu höchster Lust entzückte, daß ihnen
die gewaltigen Wasserfälle Skandinaviens so gut in die Ohren brausten,
wie die über die Ebenen hintosenden wälderknickenden Stürme. Alle
Germanen bergen die schroffsten Gegensätze in ihrer Seele, solche, wie sie
nur eine riesenhaste Natur und iveiter ein vom Kampf erfülltes Leben
entwickeln kann: Neben einer gewaltigen, ja schrankenlosen Phantasie
steht der schürfste, die Wirklichkeit der Dinge unbarmherzig durchdringende
Verstand, neben ungemessener Willcnskraft eine seltene Gemütsweichheit,
neben wilder Leidenschaftlichkeit und barbarischer Roheit ein streng gerechter,
ja die höchsten sittlichen Forderungen erhebender Sinn, neben derbstem
Realismus die Sehnsucht nach Schönheit und die edclste freiwillige
Askese. So treten sie den Mittelvölkern entgegen, die, mochten sie
zunächst auch arischcr Herkunft scin, unter dem Einsluß eines milderen
Himmels längst das Jdcal ciner harmonisch ausgeglichenen Kultur
geschaffen und zum Teil verwirklicht hatten, nun aber auch schon an ihr
oder an zu starker-Mischung mit weniger edlem Blute zu Grunde zu
gehen drohten, so trctcn sie ihncn entgegen als die Bringer neuer Natur-
und Lebenskraft und wciterhin einer neuen Kultur, die männlicher, freier
Runstwart 2. Ianuarheft ^90^
 
Annotationen