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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI issue:
Heft 11 (1. Märzheft 1901)
DOI article:
Göhler, Georg: Musikalische Erziehung, [3]
DOI article:
Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [7]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0507

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des Einzelnen nicht übcrwinden kann. Konzert- oder Theatersänger zu
werden, dazu kann aus rein physischen Gründen vor seinem s8. Jahre
nur ganz ausnahmsweise Jemand den Entschluß fassen; sehr oft liegt
die Entscheidung, wenigstens bei Herren, noch viel später. Jnfolgedessen
ist meist die allgemeine Ausbildung bereits so weit gediehen oder nicht
gediehen, daß Schulunterricht keinen Zweck mehr hat. Es Handelt sich
um eine ganz spezifisch einseitige Weiterbildung zur Beherrschung der
Stimme; die Fortbildung in anderen Dingen muß man den Einzelnen
überlassen. Und zwar schon deshalb, weil erfahrungsgemäß entweder
das Bedürfnis nach vertiefter allgemeiner Bildung bereits zu stillen
begonnen ist und auch ferner befriedigt wird, oder aber: alle Erziehung
an einer gänzlichen Unfähigkeit in gcistigen Dingen scheitert, da die
stimmliche Begabung und die Beschäftigung mit ihrer Ausbildung that-
sächlich oft mit absoluter künstlerischer Jndolenz verbunden ist. Die
Redensart vom „dummen Tenor" ist weit mehr als eine kabls con-
venus. Man wird unbedingt am besten fahren, wenn man den Ge-
sangsunterricht Privatlehrern überläßt, die ja auch bisher den weitaus
größten Teil aller Berufssänger ausgebildet haben. Die Konservatorien
sollten sich diesen unnötigen Ballast unbedingt vom Halse schaffen und,
da auch die Heranbildung von Dirigenten, Virtuosen und Komponisten
doch, — man gestehe es nur ehrlich ein — frommer Betrug war, als
Orchesterschulen zum Heile der Kunst weiter wirken. Sie könnten neben
den von uns geforderten staatlichen Orchcsterschulen ebenso bestehen wie
gegenwürtig die Prioatrealschulen u. s. w. neben den öffentlichen Jnstituten.
Aber wir hoffen, daß die gewünschten staatlichen Anstalten dann den
an sie zu stellenden Anforderungen so gewissenhaft entsprechen, daß jeder
seine Ausbildung am liebsten dort suchen wird, wo doch die meiste Bürg-
schaft für gediegenen Unterricht geboten werden könnte!

Die Hauptsache ist, wenn man Besserung der jetzigen Zustände
will, die unserem Kunstleben schon so viel Schaden gebracht haben, datz
man zweierlei einsieht. Der Staat hat die Pflicht, sich schleunigst und
ernstlich um dicse für die Volkserziehung außerordentlich wichtigen Dinge
zu kümmern. Und alle Jnstitute, staatliche wie private, haben nur dann
Aussicht auf segensreiche künstlerische Thätigkeit, wenn sie sich bestimmte,
feste Lehrziele stecken und auf streng methodischer Grundlage nicht tausen-
derlei lüderlich, sondern Eines ernstlich und gründlich, vor allem ohne
Hochschuldünkel erstreben. Georg Göhler.

Rulturarbeilen. 7.

Es ist ein Dogma bei uns geworden, daß alle Baulichkeiten, die
technischen Zwecken dienen, den Ausdruck trostloser Oede und Lange-
weile tragen müssen. Fragt einmal Jemand, ob sich nicht auch diese
Bauten lebendiger, ausdrucksvoller gestalten lassen, sodaß sie nicht mehr
die Gegend im Umkreise eines Kilometers veröden, so mißversteht man
ihn schon, eh' er nur ausgesprochen hat. Denn sofort ist die Antwort
fertig: nein, dafür ist kein Geld da. Der alte Jrrtum, daß diese Bauten
sich nur durch „Verzierungen" „gefälligcr gestalten^ licßen. Auf diesen
Grundfehler ist so oft in der Folge dieser Aufsätze hingewiesen worden, daß

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