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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 21 (1. Augustheft 1901)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0406

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(lnsre Hoten unä kiläer.

Unsere diesmalige Notenbeilage bringt die Ballade „die beiden Grena-
diere" von Richard Wagner, mit einem andern als dem gewohnten Texte,
und das erheischt eine nähere Erörterung. Die Ballade stamint auS der Zeit,
da Wagner in Paris in regem Verkchr mit Heinrich Heine stand, aus denr
Winter ^339/^0. Wagner komponierte damals Heines Gedicht in einer franzö-
sischen Uebersetzung, die ihm der Autor zur Verfügung gestellt hatte —
ihr sitzt denn auch die Musik „wie angegossen". Als aber die Ballade für die
deutsche Musikwelt zur Ausgabe gelangte, wurde die französische Uebersetzung
wieder ins Deutsche zurückübertragen und zwar so gequält und geschraubt,
daß kein befriedigender Eindruck möglich war. Dcr Schottsche Verlag hat in
richtiger Erkenntnis dieses Uebelstandes dann eine zwcite Ausgabe veranstaltet,
deren ungenannter Bearbeiter das Problem dadurch zu lösen versuchte, daß er
auf dcn Heineschcn deutschen Urtext zurückgriff und ihn der Wagnerschen
Melodie unterlcgte. Allein nun wollten Wort und Ton nur selten mit einanoer
stimmen, die Musik gewann durch die Verbindung mit dem Dichterwort zu
wenig und mißhandelte es hingegen oft in unerquicklichster Weise.

Jetzt stellt uns Professor B. Sauer in Gießen eine neue Rückübersetzung
für den Kunstwart zur Verfügung. Sauer ist von dem Grundsatze ausge-
gangen, daß das Bestreben möglichst viel vom Urtcxt zu retten, nnr zu heil-
loscn Künsteleien sühre, und so hat er getrachtet, bloß den Sinn dcs Gedichtcs
festzuhalten, die Worte aber sozusagen aus dem Ausdruck dcr Melodie
heraus zu entwickeln. Dcr neue Bcarbeiter sagt dem Hürer von vornherein:
erwarte nicht Heines Verse, erwarte überhaupt keine .Poesie", achte viclmehr
auf die charaktervolle Musik, die insgemein nur wenig zur Geltung kam,
weil die vorhandenen dcutschen Texte sie beeinträchligten und slörten, der
französische aber deutschen Lesern nicht wohl zugemutet werden kann. Freilich,
ganz einfach geht die Sache auch jetzt nicht. Hcines Text ist unserem Bewußt-
sein zu tief cingeprägt, als daß er auch an dieser Stelle sich ganz vergessen
ließe. Zwischen den Zeilen der neuen Uebersetzung taucht er doch immer
wieder gleich einem mahnenden Schatten auf, und wo er nicht ist, glnubt man
ihn zu vermissen. Ein hübsches Beispiel nebenbei, wie sehr ein Gedicht unsere
Phantasie gewissermaßen festlegt. — Schließlich sei bemcrkt, daß der Gedanke,
für die letzte Strophe die Melodie der Marscillaise zu verwenden, den be-
kanntlich auch Schumann gehabt hat, zucrst von Wagner gesaßt wordcn ist,
denn die Schumannsche Komposition crschien erst

Ntit unsrer B i l d er beilage dürfen wir dcn Lescrn heut etroas ganz be-
sondres zeigcn: ein der Oeffentlichkeit noch völlig unbekanntes Blatt von
Ludwig Richter. Das Aquarell, nach dem unsre Rcproduktion gemacht ist,
befindet sich in Privatbesitz und ist bis heute noch niemals vervielfültigt
worden. Es ist ein Werk noch aus Nichters früherer Zoit, und die kleinen
Schwächen seiner Kunst verleugnen sich nicht darin. Aber auch all die Liebens-
würdigkeit seines Herzens ist wic deutsche Sonne darüber ausgestrahlt. Wic
deutsche Sonne — wer denkt hier trotz der italienischen Bäume und Bauten
und Trachten und trotz der schwarzen Haare der Jtalienerinncn au italicnische
Kunst? Daß der Geist dem Kunstwcrkc seinen nationalen Charakter gibt,
nicht der Stoff, hier zeigt sich's einmal recht schlagend — viel schlagender als
z. B. bei Böcklin, bei dem die Sache doch gerade so liegt, bei dem das Deutsche
zu erkennen wir aber noch nicht so lange Jahre hindurch gewöhnt sind.

Inkalt.

Von den Erbfeindcn der Baprcuther Kunst. Von Paul Marsop.

— Friedrich Naumann und die 5kunst. Von Arthur Bonus. —
Oeffentliche Musikübung und künstlerische Verantwortlichkeit. Von Georg Göhler.
— Lose Blätter: Aus Friedrich Naumanns Schriften. — Notenbeilage: Richard
Wagner, Die beiden Grenadiere. — Bilderbeilage: Ludwig Richter, Auf dem
Wege.

verantwortl.: der Herausgeber Ferdinand Avenariusin Dresden-Blasewitz. Mitredakteure: für Musik:
Or. Richard Batka in prag-weinberge, für bildende Kunst : jDaul Schultze-Naumburgin Berlin.

Sendungen für den Tert an den Herausgeber, über Musik an Or. Batka.
verlag von Georg D. lv. Lallwe^. — Rgl. Hofbuchdruckerei Aaftner 6c Lossen, beide inMünchen.
Bestellungen, Anzeigen und Geldsendungen an den verlag: Georg D. w. Lallwcf in München.
 
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