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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 17 (1. Juniheft 1902)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [16]: ländliche Arbeiterhäuser
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0227

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innrre Artung des Menschen ausübt. Man darf nicht herablassend von
der Verkommenheit der unteren Volksschichten reden, solange man sie
in Häusern wohnen läßt, deren Form den Ausdruck der Freud-, der
Trostlosigkeit trägt, solange man sie arbeiten läßt an Stätten, denen
der Stempel des Zuchthäuslerdaseins ausgedrückt ist.

Jch kenne zur Genüge das Heer der Einwände, die auf so einen
Ausspruch auch von sonst Wohlwollenden gemacht werden. Ob ich denn
meintc, der Arbeiter müßte in elegante Häuser gesetzt werden, ob er
vielleicht mit kostbaren Kunstwerken umgeben werden sollte oder was
sonst? Das alles wäre doch nur eine Geldfrage, und wenn die Mittel
nur zu dem Notwendigsten langten, so bliebe eben für den Luxus nichts
übrig u. s. w. Ach, ich kenne sie auswendig die ganze Phraseologie,
und es ist ermüdend genug, gegen ihre Redseligkeit immer und immer
zu wiederholen: das meinen wir nicht, sondern wir meinen das und das.
Allmählich aber bleibt doch etwas hängen von der so einfachen Erkennt-
nis, daß das Geforderte mit Kunst im Sinne des Luxus gar nichts zu
thun hat, sondern daß nur eine andere Gestaltung notwendig ist, um
dasselbe Material, das jetzt so öde wirkt, erfreulich und erquicklich zu
meistern, und sei es das einfachste und billigste.

Es ist ein Jrrtum, zu meinen, das Bauernhaus sei unkomfortabel,
unpraktisch oder gar unhygienisch. Jm Gegenteil: die Typen der Bauern-
hüuser aller Gegenden Deutschlands zeigen das behaglichste Jnnere, die
bequemste Raumgestaltung, die man sich wünschen kann. Die Zimmer
sind groß, werden durch kleine, aber zahlreiche und am rechten Ort an-
gebrachte Fenster reichlich erhellt: jede Form erzählt von Lebensfreude.
Wenn man diese alten guten Bauernhäuser gut angesehen hat, so ver-
steht man nicht mehr, wie das alte Märchen von dem Unhygienischen
dieser Vauten erfunden werden konnte. Denn unsere Errungenschaften,
wie Wasserleitung oder Kanalisation haben doch mit der Erscheinung
unsrer modernen Kästen nichts zu thun, vielmehr treten sie einfach hinzu.

(Schluß mit Abbildungen im nächsten Heft.)

e Vlstter.

Eectickie von Otto 6rns1.

Vorbemerkung. Ueber Otto Ernsts Stücke haben sich viele Leute
geärgert, und wenn wir unserseits uns über die „Jugend von heute" trotz
einiger Vorbehalte sehr gesreut haben, so haben wir doch im weiteren bewiesen,
daß auch wir uns gelegentlich über Otto Ernst ärgerten. Schön, aber des-
halb wollen wir nicht nur nicht vcrgessen, sondern heute noch einmal betonen,
daß Ernst vor allen, mit denen man ihn jetzt gern zusammen ncnnt, etwas
sehr Wichtiges voraus hat: die W ärme. Möglich, daß er ein Strudelkopf ist,
ein kalter Kopf ist er ganz sicher nicht, das aber ist gerade das Schtimme an
unsern meisten^bühnengcwnltigen Theaterliteraten, jdaß sie uns mathematisch
konstruierte Eisblumen sür organische Gewächse aufreden wollen,in denen der Sast
des Lebens rinne. Also die Wärme — auf sie hin bitten wir, die folgenden
Gedichte zu lesen. Möglich, daß Ernst kein „großer Lyriker" ist — aber wie
viele unter unS Lebenden schreiben Gedichte, die so unmittclbar von Herzen
zu Herzen gehn? Ueberlassen wir auch den Lyriker Ernst geringschätzig „dem

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