Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0581

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
meines Sohnes tragen — er erhob sich, legte Geld auf den Tisch
und setzte sich wieder. Der Pfarrer zählte es: Das ist viel Geld,
sagte er. — Es ist die Hälfte von dem, was ich für meinen Hof
erhielt — ich habe ihn heute verkauft. — Lange saß der Pfarrer
schweigend da; endlich fragte er, aber in sanftem Ton: Was willst
du nun anfangen, Thord? — Etwas Besseres! — Sie saßen eine
Weile da, Thord senkte den Blick zn Boden, der Pfarrer ließ sein
Auge auf ihm ruhen, dann sagte er leise nnd langsam: Jetzt, denke
ich, ist dir dein Sohn endlich zum Segcn geworden! — Ja, jetzt
denke ich das selber auch, sagte Thord, er blickte auf, und zwei
Tränen rannen ihm schwer über das Gesicht herab.

^lkroncl.

Alf hieß ein Mann, auf den die Bauern in seiner Gemeinde
große Hoffnungen setzten, denn er tat es den meisten in Arbeit oder
Klugheit zuvor. Als dieser Mann aber dreißig Iahre alt war, zog
er ins Gebirge und machte sich, zwei Meilen von allen Leuten ent-
fernt, ein Stück Land urbar. Viele wunderten sich darüber, daß er
diesc Nachbarschaft mit sich allein aushalten konnte, aber sie wnn-
derten sich noch mehr, als einige Jahre später ein junges Mädchen
aus dem Tal die Einsamkeit mit ihm teilen wollte, und noch dazu
das Mädchen, das bei allen Festen und Tänzen die lustigste ge-
wesen war.

Sie wurden die Waldleute gcnannt, und er war unter dem
Namen Als im Walde bekannt; die Leute sahen ihm lange nach,
wenn sie ihn bei der Kirche oder bei der Arbeit trafen, denn sie
verstanden ihn nicht, und er machte sich nichts daraus, sich ihnen
zu erklären. Die Frau war nur ein paarmal unten im Dorf ge-
wesen, und das eine Mal, um ein Kind über die Taufe halten
zu lassen.

Dieses Kind war ein Sohn, der Thrond genannt wurde. Als
er heranwuchs, sprachen sie häufig darüber, daß sie Hilfe haben
müßten, und da sie nicht in der Lage waren, einen erwachsenen
Menschen zu halten, so nahmen sie sich, wie sie sich ausdrückten,
einen „halben". Sie nahmen ein vierzehnjähriges Mädchen ins
Haus, das sich mit dem Knaben beschäftigte, wenn die Eltern im
Felde waren.

Das Mädchen war ein wenig einfältig, und der Junge merkte
bald, daß das, was die Mutter ihm sagte, leicht zu fassen war,
dagegen schwer, was Ragnhild von sich gab. Mit dem Vater sprach
er nicht gerade viel, und er hatte eher Furcht vor ihm, denn alles
mußte ganz still sein, wenn er daheim war.

Da, an einem Weihnachtsabend — auf dem Tische brannten
zwei Lichter, und der Vater trank aus einer Flasche, die weiß war
— nahm der Vater den Knaben auf den Schoß, sah ihm strenge
in die Augen und rief: Dn! Junge! Und dann fügte er milder hin-
zu: Du bist doch nicht bange! Kannst du wohl ein Märchen an-
hören? Der Knabe antwortete nicht, sondern sah den Bater mit
großen Augen an. Da erzählte ihm dieser von einem Mann aus
Baage, der Blessommen hieß. Er, der Mann, war in Kopenhagen,

460

Runstwart
 
Annotationen