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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 24 (2. Septemberheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0723

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die aus ftofflichen Gründen vor Jahren
so viel Streit erweckten. Um nicht vom
unbarmherzigen Gläubiger aus dem
Häuschen getrieben zu werden, leistet
der greise Arbeiter einen salschen
Schwur, er erwirbt sich damit die
Unterstützung seines verbrecherischen
Fabrikherrn, die er indes aus Ge-
wissensnot mit sreiwilligem Tode be-
zahlt. Der Konflikt ist zum Schaden
des Stückes aus der rein menschlichen
zu weit in die sozialtendenziöse Sphäre
hinübergezogen, als daß er überzeu-
gend ausgetragen werden könnte. Die
Besitzenden sind gar zu hart oder
schustig, die armen Leute gar zu gut.
Ein naioer Jnstinkt für dramatische
Wirkung ist trotzdem da, und manche

der einer seiner Mitarbeiter auf dem
Thcater versucht. Von denbildnerischen
Leistungen uud der „Richtung" des
Blattes war hier schon des öfteren die
Rede. Jch bezweifle, offen gesagt, den
von manchem behaupteten heimlichen
prinzipiellcn Hatz des „Simplizissimus"
gegen alles Deutschtum, nur scheint er
mir allerdings in seiner Gesamt-
tend enz nicht das geringste Verständ-
nis auch für die besten Zügo unseres
Volkstums zu haben, wenn schon
deutsche Wesens eigenschaften bei
einigen seiner Mitarbeiter wie Thöny,
Bruno Paul und zum Teil doch auch
Ludwig Thoma sehr deutlich zur Gel-
tung kommen. Gut deutsche Festigkeit
und Zucht mutz der dekadent-lockeren

Einzelheiten des erzgebirgischen Milieus
mögen ganz getreu beobachtet sein,
nur gerade als notwendig empfand ich sie
nicht, ehcr wie eino zufälligc Einkleidung
in werktügliche Volkstracht.

Die Darstellung bot manches Gute
und belebte mit mittleren Krüften die
Lokalfarbe zu Zeiten sogar vortrefflich.
Wie so oft trat auch hier die alte
Weisheit zutage, datz durch Teilung
und planvolle Ausnutzung der Kräfte
selbst die Mittclmätzigkeit zu achtbaren
Leistungen gelangen kann. L. R.

G Münchner Theater.

Wer aus München schreibt, wirü
von Zeit zu Zeit immer wieder ge-
nötigt,auf den „Simplizissimus" zurück-
zukommcn; so hat sich auch jctzt wie-

2. Scptembcrheft >yaz

Gesamthaltung des Blattes nalürlich
schon an sich und nicht blotz in ihren
Ausschreitungen als Philistrosität er-
scheincn. Doch verlangt einfach die
Gerechtigkeit, über den zersetzenden die
kritisch anregcnden Eigenschaften des
Blattes bei all seincr Gefährlichkeit
für die Massen nicht zu übersehn
und über kaltcm Hohn und lüsterner
Pikanterie nicht die Fülle gesunden
und oft ganz harmlosen Humors und
Uebermutes zu vergessen, den z. B.
Thöny, Paul, Wilke so haufig ver-
treten. Leider reichen die „schriftlichon"
Leistungen des „Simplizissimus",wenn
ich von glücklicher gefatzten Bildertexten
und dcn Sachen des drolligen Thoma-
Schlemihl absehc, wcder geistig noch

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