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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1903)
DOI Artikel:
Bielschowsky, A.: Goethes Lyrik, [3]
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Tantièmen für Konzertaufführungen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0153

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reine hohe Luft zu erheben mit dem Gefühl der Sehnsucht nach
Goethes Gedichten greifen und sie mit dem Bewußtsein tiefer Be-
ruhigung, der Versöhnung mit der Welt, des frisch erworbenen Lebens-
mutes aus der Hand legen. Man wird bei wiederholter Rückkehr zu
ihnen immer wieder die Wahrnehmung machen, daß sie stefs neue
Saiten anschlagen, neue Ausblicke eröffnen, neue Tiesen enthüllen.
So wachsen sie einem jeden im Fortgang seines Lebens an Bedeutung.
Und wie dem einzelnen, so der Gesamtheit. Die Lyrik Goethes ist
hente eine ungleich größere Macht im Geistesleben der Nation als
vor hundert Jahren und man kann ohne Mhnheit voraussagen, daß
sich die Hosfnung des Dichters erfüllen wird, die er in inniger Stunde
ausgesprochen:

lVisset nur, daß Dichterworte
Um des paradieses psorte
Immer leise klopsend schweben,

Sich erbittend ew'ges Leben.

A. Bielschowsky.

^anliernen für RonLerlauffükrungen?*

Wir leben in der Zeit der Geschäftemacherei. Alles arbeitet „fürs
Geschäft". Alles dreht sich ums Geschäft. 's geht nichts übers Geschäft. Wo
Alles liebt, kann Karl allein nicht hassen. Warum also nicht auch aus der
Kunst ein Geschäft machen? Warum nicht „gründen", damit sich die Sache
um so besser rentiert? Wir haben längst die großen Musik-Waren-Häuser, die
Jedem, der's rvünscht, Dirigenten, Sänger, Klavier- und Cello-Turner, voll-

* Recht vielen Lesern rverden die folgenden Auseinandersetzungen höchst
überraschend kommen. Wie, man tritt dagegen auf, daß gerade die Kompo-
nisten, die wahrlich durch unsre Verhältnisse pekuniär am allerwenigsten glänzend
gestellt sind, ihr geistiges Eigentum wenigstens ordentlich ausnützen? Wer sich
meiner Ausführungen gelegentlich der Urhsberrechtsverhandlungen im Reichs-
tage und des „Urheberschatz"-Planes erinnert, wird aber verstehen, weshalb
ich Göhlers Beitrag mit besonderem Vergnügen ürucke: ein Mann, der, Hof-
kapellmeister und Komponist zugleich, einigermaßsn zu den Unparteiischen ge-
hört, erkennt und bespricht hier eingehend füc sein Gebiet eben die Schüden,
die ich für unsre ganze Urhebergesetzgebung bisher „einsam auf weiter Flur"
behauptet habe und die ich noch behaupte. Es ist für mich gar kein Zweifel,
was Göhler hier weniger betont: den ernsten unter unsern Komponisten muß
von der Allgemeinheit geholfen werden ganz ebenso wie den ernsten unter
unsern Dichtern und bildenden Künstlern und zwar nicht nur, weil es in
ihrem besonderen, sondern vor allem, weil es im Jnteresse der Allgemeinheit
liegt. Alle Versuche aber, das nach dem Marktwerte zu tun, nach dem
Maße des Verlangtwerdens, führen nur von der eigentlichen Ausgabe ab, mag
sich's um Bestrebungen wie die der Komponisten oder um „Lyriker-Kartelle" und
dergleichen handeln. Die Beliebten verdienen ohnehin Geld genug, die Nicht-
beliebten werden noch weniger aufgeführt werden als bisher, der Vorteil wird
also für den einzelnen der ernsten aber nicht äußerlich erfolgreichen
Künstler verschwindend sein, die viel begehrten Geschäftsleute aber werden sich
ins Fäustchen lachen, daß sie die guten Namen zur Dekoration ihres Fischzuges
erwischt haben, und die Kunst selber und unser Volk wird den Schaden tragen.
Statt des Anspruchs aus ein paar Mark gelegentlichen Aufführungshonorars
gebührte Männern wie Draeseke eine Entschädigung durch die Allgemeinheit
ganz unabhängig davon, wie ihre Werke „gehen", oder die Erwerbung ihrer
Ürheberrechte durch diese Allgemeinheit, damit sie ihrerseits die Verbreitung
ihrer Kunst nach Möglichkeit erleichtern könne. A.

1. Novemberheft 1903

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