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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1903)
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B: Richard Wagner über Berlioz
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Smolian, Arthur: Hektor Berlioz und die deutsche Opernbühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0390

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slüsse ihn in wunderliche Jrre führen und sich selbst ihm so ent-
fremden, datz er unwissend gegen sich selbst schlägt. Aber gerade durch
dieses helle Phänomen erkannte ich, daß der Hochbegabte nur wieder
den sehr Hochbegabten zum eigentlich erkennenden Freunde haben kann,
und das bestimmte mich zu der Einsicht, daß in dieser Gegenwart
doch nur wir Drei eigentlich zu uns gehören, weil wir uns gleich
sind; und die sind: Du — Er — und Jch! Aber das mutz man
ihm am wenigsten sagen. Er schlägt aus, wenn er's hört." (Brief
an Liszt 22. Mai (860.)

Zu diesem Verhalten Wagners steht das von Berlioz im schrossen
Gegensatz. Er lietz den Freund, den beleidigten Künstler, ein Jahr
später schnöde im Stich, als der Jockeyklub in der Oper den „Tann-
häuser" auspfiff, indem er die Besprechung der Ausführung einem
Andern überließ und aus seiner Schadenfreude über den Skandal gar
kein Hehl machte. Alle diese üblen Erfahrungen vermochten aber
Wagners menschliche Teilnahme und künstlerische Hochschätzung nicht
zu ersticken, denn nach Berlioz' Ableben noch ging Wagner daran,
eine besondere Schrift über ihn zn verfassen, deren sympathischer Grund-
zug aus den Anfangsworten des kurzen erhaltenen Eingangs er-
hellt: „Ueber denjenig>en nach seinem Tode nichts als Gutes zu sagen,
der während seines Lebens fast nur Uebles über sich vernahm, ist
eine heilige Pflicht." B.

kZektor Ver!io2 uncL äie ckeutscke Opernbükne.

Der große sranzösische Tondichter Hektor Berlioz hat zum reichen
Opernschatze des neunzehnten Jahrhunderts nur drei, wenn man will,
vier Werke beigesteuert: die geistsprühende Künstleroper „Benvenuto
Cellini", die launige Lustspieloper „Beatrice und Benedikt" und die
vielfach in das Gebiet des Erhabenen hinübergreifende zweiteilige
antike Heldenoper „Die Trojaner". Zwischen der Pariser Uranfführung
seines ersten Bühnenwerkes, des „Benvenuto Cellini", im Jahre s8Z8
unv der endgültigen Vollendung seiner Trojaner-Schöpfung im Jahre
(863 liegt für den dramatischen Komponisten Berlioz eine an bittersten
Enttäuschungen und an schmerzlichstem Entsagen überreiche Leidens-
zeit, und man braucht in seinen Memoiren nur die wenigen Sütze
zu vernehmen, in denen er gramvoll erbittert davon berichtet, wie
man aus Unverstand und Böswilligkeit seine erste Oper gleich bei
der Geburt erwürgt und ihn selbst gestäupt hat, und weiterhin die
wehmütige Klage: „O meine hehre Kassandra, meine heldenmütige
Jungfrau, so muß ich denn dem Wunsche entsagen, dich jemals zu
hören!" um sich von der tiesen Schicksalstragik des Opernkomponisten
Berlioz ernstlich ergrisfen zu fühlen.

Frankreich hatte keinen Sinn sür die im einzelnen so wunderbar
geistvoll-neuen und in ihrer Gesamtfassung durchaus künstlerisch-edlen
Bühnenwerke seines eigenartigsten, seines genialsten Tondichters; der
„Cellini" ist nach drei vollständigen Aufführungen und einigen Einzel-
wiederholungen des ersten Aktes in das Archiv der ^.Laäsmis ro^als
äs musigns eingesargt worden, und unverstanden blieb in Paris der
zweite Teil des Trojanerwerkes („Die Trojaner in Karthago"), der,

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