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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1903)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0419

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Ausgang:

Leb wohl, leb wohl — du hältst dich selbst in Lsänden.
Du sahst, o Mensch, zwei wesen deinesgleichen
im kleinsten Kreis Unendliches erreichen.

Du sahst Dein Glück ins weltglück enden.

Klmeisekrm.

jüiterator.

G Wilhelm von Polenz f.

Das deutschs Schrifttum hat einen
der besten unter den Jüngeren ver-
loren: Wilhelm von Polenz ist auf
seinem Schloß Kunewalde gestorben,
noch nicht einmal drei und vierzig
Jahre alt. Hätt' er auch nur den
„Büttnerbauern" geschriebcn,sein Name
würde der Literaturgeschichte bleiben,
denu ihm gelang, was so wenigen ge-
lingt: das Typische eines Einzelfalles
klar als solches zur Bedeutung heraus-
zuarbeiten, ohne ihm von der Wärme
des individuellen Seins das mindests
zu nehmen, ein Problem der Zeit aus-
zubreiten, ohne seinen lebendigen Leib
im Begrifflichen aufzulösen. Als Guts-
besitzer stand Polenz im werktätigen
Zusammenhange mit dem Landbau
treibenden Volk, aber er verlebte da-
zwischen auch manchen Monat in der
Stadt, und dort oder auf Reisen, nein,
überall schöpfte er mit eigner Hand
beslissen aus den „rinnenden Quellen
der Zeit": Was er pflanzte und pflegte,
das sog mit sesten Wurzeln aus dem
Grunde der Heimat, von jeder Beengt-
heit aber gedieh es frei und hoch hin>
auf. Wir sprechen von dem Leben-
digen dieses Toten binnen kurzem
wieder. A.

G Aus Weimar werden Dinge
gemeldet, die lächerlich aber auch höchst
beschämend sind. Das eigentliche Mo-
tiv zu all dem Gerede, datz Goethes
Gartenmauer samt dem Chausseehäus-
chenniedergerissenwerden „müsse", mö-
gen Bauspekulationen oder die Jnter-
effen von Hausbesitzern sein, die ihre
Preise steigern wollen, daß aber heut-
zutage noch derartige Motivie-
rungen möglich sein können, das ist

das Betrüblichste, ist das Widerwär-
tige dabei: Man klagt, datz der Boden
in Goethes Garten versäuert wäre, als
wenn sich dem nicht anders abhelfen
lietze und als ob's auf ein gärtne-
risches Prunkstück anküme, man mitz-
braucht das „Mehr Lichtl", um dis
Hmterlassenschaft dessen zu zerstören,
dem das Wort zugeschrieben wird,
man empfiehlt statt der vom Tages-
treiben abschließenden Mauer ein Eisen-
gitter als „modern", man findet, daß
das Chauffeehäuschen „verunziere",
welches das Bild jener Zeit so be-
zeichnend ergänzt, und was das Aller-
hübscheste ist: man erklärt, „keine Pietät
außer für das Schöne" zu haben. Als
wenn alle Architekten, Dekorateure und
Gärtner der Welt mit allem Gelde
der Welt Weimar eine größere Schön-
heit herstellen könnten, als den ver-
weilenden Abendglanz der Weima-
rischen Geistesheroen-Zeit!

Daß der Garten, in dem Goethe mit
den Seinen auf und ab wandelte, in
Lem er mit Schiller, Herder, mit viel
andern bedeutenden Menschen abge-
schlossen vom Alltag Zwiefprach hielt,
daß der Garten, dsr zwischen seinen
vogelumzwitscherten Gängen so viele
der Gsdanken erblühen sah, die goldene
Früchte reiften, daß dieses Gartens
geheiligte Idylle wirklich zerstört wer-
den könnte — nein, solchen Schild-
bürgerstreich halten wir nicht für mög-
lich. Dafür ist ja wohl auch die Sorge,
die Entrüstung aller Orten zu hell
emporgebrannt! Aber ein mindestens
ebenso großer Schildbürgerstreich ist
in Weimar an eben derselben Stelle
bereits geschehen, ein noch schlimmerer
sogar, nur einer, gottlob, der sich wie-

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