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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1904)
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Kampffmeyer, Hans: Gartenstädte
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0197

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GailenslLäte.*

An der Verteuerung der Stadtwohnungen sind die ins Unge-
nressene wachsenden Grundstückpreise schuld. Will man billige und
gesunde Häuser schaffen, so muß man sie also außerhalb der Stadt
bauen. Da das aus mancherlei Gründen dem Einzelnen nicht möglich
ist, so mnß sich eine große Menge zu diesem Zwecke zusammenschließen.
Der Wertzuwachs des Grundes und Bodens, der durch das Zusam-
menströmen vieler Meuschen geschaffen wird, kam bisher nur den
Grundbesitzern ohne ihr Zutnn zugute, und es lag in ihrem Jnter-
esse, die Mietpreise möglichst hochzutreiben. Um das nun in unserem
Falle zu verhüten, muß man den Grund und Voden als Gemeinde-
besitz erhalten. Das zu dem Unternehmen nötige Kapital könnte man
leihweise beschaffen, die mit der Einwohnerzahl ständig wachsende
Bodenrente würde nicht nur eine Rückzahlung dieser Summe, son-
dern gemeinnützige Einrichtungen aller Art ermöglichen.

Der hier skizzierte Gedanke scheint in der Luft zu liegen. Un-
gefähr gleichzeitig ist er in England, Deutschland, Ungarn, Frank-
reich und Schwcden aufgetaucht, und schon liegen die Ergebnisse
außerordentlich erfolgreicher Versuche vor.

Eins der für uns interessantesten ist das Jndustriedorf Bourn-
ville. Es ist eine Gründung von Mr. Cadbury, der dadurch den
Arbeitern seiner großen Kakaofabrik bessere Wohnungen zu geben
wünschte. Fünf Kilometer weit von Birmingham kaufte er in schöner
Lage ein Gelände von 500 Morgen, behielt sich s00 Morgen für
seine Werkstätten vor und begann auf den übrigen lsOO Morgen Wohn-
häuser zu errichten, die er zu billigem Preise an seine und an fremde
Arbeiter vermietete. Als dann nach einiger Zeit das Mietseinkommen
der Kolonie deren Ausgaben überstieg, schenkte er dic ganze Anlage,
die einen Wert vou 5 Millionen darstellte, der Gemeinde mit der
Bestimmung, daß der Grund und Boden für alle Zeit Gemeindceigen-
tum bleiben solle. Die Mietsüberschüsse sollten znnächst zum weiteren
Ausbau von Bournville und später zur Gründung von weiteren ähn-
lichen Niederlassungen verwcndet werden.

Bournville ist heut ein blühender und gesunder Ort von 2000
Einwohnern. Breite, baumbepflanzte Straßen führen hindurch. Vor
jedem der schmucken Häuser liegt vorn heraus ein Blumengärtchen.
An die Rückseite schließt sich ein großer Gemüsegarten, dessen Be-
stellung sich die Leute in ihren Mußestunden mit großem Eifer widmen.
Bei den Entwürfen für die Häuser hat der Architekt der Gemeinde,

* Wir möchten diese Gelcgcnheit benutzen, uni an die Verdienste eines
Mannes zu erinnern, der wohl schvn scit dreißig Jahren imnier wieder
ganz verwandte Gedanken in Deutschland öffentlich vertrctcn hat, wie sie
jetzt aus England zu uns herüber und ebcn wegen dieser Herkunft — man
kann ja in diesem Falle nur sagcn: hoffentlich — auch zur Anerkennung
kommen. Von dem früheren Dresdner Stadtgartendirektor Degenhard
halten viele nichts, weil er auch Vegetarier und sogar Phrenolog ist, das
macht aber die angegebene Tatsache nicht anders. Wir dürfen jctzt sagcn,
daß .der Aufsatz „Unsere Gartenkunst", der im zweiten Julihefte M9 des
Kunstwarts verwandte Gedanken anregte und mit dem Decknamen „Ed. A.
Bernburg" unterzeichnet war, Degenhard zum Versasser hatte.

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