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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1905)
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Avenarius, Ferdinand: Von der Karikatur
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Grunsky, Karl: Heitere Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0778

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lichung, üie in jedem Scherzbild auf etwas Hochgehaltenes eine Belei-
digung sieht. Ein Gewöhnen daran, daß man wie die Gedanken so
auch die Gefnhle eines anders empfindenden Menschen als etwas Ge-
gebenes hinnehmen und ihm das Recht, sie auszudrücken, geradesogut
gewähren muß, wie man es selber beansprucht. Sind wir nicht all-
mählich zimperliche Herrschasten geworden und auf dem besten Wege,
das befreiende Lachen nber uns selber zu verlieren? Vor lauter Würde
und Feierlichkeit werden uns nachgerade die geistigen Glieder steif.
Auch hier liegt eine Gesahr so gut wie im entgegengesetzten Falle,
wenn sich die karikierende Satire aus der Nebenrolle des lästigen Rates
oder des „bittern Narren" und Mahners zu einer beherrschenden Stel-
lung in unserm geistigen Leben entwickeln wollte. Ein Zeichen von
Stärke ist die Empfindlichkeit gegen die Satire von gegnerischer Seite
wirklich nicht. Ein sreies Volk aber braucht eine freie Satire. Es
kann nicht sicher aufwärts bauen ohne sie, denn sie ist wohl der beste
Seismograph sür die Gefühle, die rings im Boden leben. A

Heilere sVIusik

Es ist bezeichnend für den größeren Ernst des lA- Jahrhunderts,
daß es in der Musik Erzeugnisse froher Laune viel sparsamer hervor-
gebracht hat als die vorhergehende Zeit. Es war eben keine Kunst,
heiter zu sein damals, als man sich mit öffentlichen Dingen nicht weiter
beschäftigte und plagte, als die Hauptsorge des guten Bürgers war, ob
Vetter Michel zum Abendbrot komme oder nicht. Mit dem erweiterten
Gesichtsfeld, mit den sich mehrenden Eindrücken wuchs die Möglichkeit
der Erregungen, nahm die Fähigkeit ab, sich ihrer durch schlichtes Be-
hagen zn entledigen. Vielleicht sind Lortzing und Peter Cornelius in
der letzten Zeit die größten Meister der Harmlosigkeit gewesen. Die
komische Oper weist z. B. auch in der Fledermaus, in d'Alberts Ab-
reise noch Spuren alten Haydnschen Geistes auf. Ein hübsches Bei-
spiel musikalischer Ansgelassenheit, das der Leser unter den Noten-
beilagen findet, dünkt uns die Tanzmusik aus dem Rigoletto von Verdi.

Mit dem Heiteren, dessen Gegensatz Melancholie ist, wollen wir
nicht verwechseln das Leichte, Anmutige, Graziöse, das tändelt und
spielt, und auch im Ausdruck der Freude bestimmtes Maß einhält.
Hierzn wäre der Gegensatz das Schwere, Erhabene, Pathetische, ob es
nun Leid oder Freude verkündige. Die Chöre der jO. und sl. Kan-
tate Bachs, das 8an6tu8 der 8-moll-Messe wird niemand zur komischen
Musik rechnen; sie äußern die volle Erregung der Freude, die so wenig
wie echtes Leid allen Menschen zngänglich ist. Dagegen verhalten sich
so ziemlich alle Hörer entgegenkommend und angeregt, sobald ihnen
liebliche Anmut, holde Grazie znschwebt. Mozart lehrt, wie anmutige,
von Gemütserregtheit ganz entlastete Musik tut: man höre seine Me-
nuette, oder den Figaro, oder Oosi kan tntto! Von Beethoven kämen
einige leichte Variationen, von Chopin etliche Walzer, von Wolf Lie-
der, manches aus dem Spanischen Zyklus, von Bruckner die Mittel-
schlüsse der Trios in Betracht. Mozart ist ebenso der Meister gewesen
in einer weiteren Art der heiteren Musik: im Jnnigen, Herzlichen,



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Runstwart XVIII, p
 
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