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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 14 (2. Aprilheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0119

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^ Sammlung

Sammlung? Mein Rind, sxrach das der
Zufall bloß?-

Du hast genannt den mächt'gen Welten-
hebel,

Der alles Große tausendfach erhöht
Und selbst das Rleine näher rückt den
Sternen.

Des lhelden Tat, des Sängers heilig
Lied,

Des Sehers Schaun, der Gottheit Spur
und Lvalten,

Die Sammlung hat's getan und hat's
erkannt,

Und die Zerstreuung nur verkennt's und
spottet-

Des Staubes Wünsche weichen scheu
zurück;

Und wie der Ukann, der abends blickt
gen Himmel,

Im Zwielicht noch, und nichts ersieht
als Grau,

Farbloses Grau, nicht Nacht und nicht
erleuchtet,

Doch schaut er unverwandt, blinkt dort
ein Stern,

Und dort ein zweiter, dritter, hundert,
tausend,

Die Ahnung einer reichen, gotterhellten
Nacht,

Ihm niederindie feuchten, sel'genAugen.
Gestalten bilden sich, und Nebel schwinden,

DerHintergrund derWesen tutsich auf_

Grillparzer

A Neue Bücher
Jakob Wassermann errang einst
mit seinem Roman: „Die Geschichte
der jungen Renate Fuchs" einen
jener Sensationserfolge, die nur die
Mode zn vergeben hat. Spötter mein-
ten, der Erfolg läge einfach an der
„Asbestseele" Renates, die ewig rein
bleibt, trotzdem der ihr zugehvrige
Körper dnrch allen Schmutz watet
— das habe diesen Roman bei den

Modedamen nnd Halbjungfrauen so
beliebt gemacht. Jedenfalls hält sich
Wassermann seitdem für einen nnsrer
ersten Romanschriststeller, und manche
tun es mit ihm. So hat er sich
denn jetzt an einen „großen" Stoff
gewagt und einen historischen Ro-
man geschrieben: „Alexander in
B a b h l o n" (Berlin, S. Fischer,
270 S.). Waren schon bei „Renate
Fuchs" der Fleiß nnd die Ausdauer
bewnndernswert, mit denen unser
Schriftsteller über seinem Gegenstande
saß, so gilt dasselbe auch von diesem
„Alexander". Wassermann hat seinen
Stoff durchaus mit heißem Bemühn
studiert und ihn nach wohl erwoge-
nen Theorien auf Grund klassischer
Beispiele geordnet und ausgeführt.
Herodot und Flaubert (Salammbo),
auch Goethe, waren wohl die Au-
toren, deren Spuren er besonders
eifrig nachging. Den antiken Er-
zählern hat Wassermann schon in der
„Renate" mancherlei abgeguckt. Die
antiken Erzähler lieben es, durch
Häufung von Namen im Leser die
Vorstellung von der Fülle der Völ-
kerschaften und Stämme wachzurufen,
um die es sich handelt. „Parther
und Meder und Elamiter, und die
wir wohnen in Mesopotamien und in
Judäa und Kappadozien, Pontus und
Asien, Phrygien und Pamphylien,
Aegypten und an den Enden von
Libyen bei Kyrene und Ausländer
von Rom, Juden und Judengenossen,
Kreter und Araber: wir hören sie
mit unsern Zungen die großen Taten
Gottes reden," heißt es bekanntlich
in der Apostelgeschichte. Das erfüllt
seinen Zweck. Jn der Renate Fuchs
aber wendet Wassermann diese Tech-
nik an, wo er mit einer Fülle von
Einzelpersonen hantiert, die kaum
ausgetaucht wieder auf lange ver-
schwinden. Er glaubt offenbar auch

Aunstwart XVIII, jp
 
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