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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 17 (1. Juniheft 1905)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0310

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Kllerslui'

^—-^

Ramzarit: Rasch! Auf! Dem Diebe nach!

Hier auf der Eselsspur.

Du folgst mir, Sif!

Sif: Dann wirst du schwerlich ihn erreichen.

Ramzarit (im Fortgehen): Gleichviel, ich will —

(Ramzarit ab, die übrigen folgen ihm. Kleine Pause.)

V Bücher der Bildung
Jm weiteren Sinne „bildet" jedes
Buch, selbst das schlechteste noch,
indem es, abgesehen vom Stoffe,
den es gibt, die Urteilskraft stärkt,
wo nur ein wenig von ihr leben-
dig ist. Diesmal aber sind solche
Bücher gemeint, die mit der Er-
ziehergeberde auftreten und verjähr-
ten Literaturbesitz zu geistigem Eigen-
tum machen wollen. Nicht immer
glücklich, wie Wilhelm Schwaners
„Germanenbibel" beweist (Volkser-
zieher-Verlag, Berlin, geb. H.50). Ein
Extrakt aus Worten und Werken von
dreißig Männern, die der Heraus-
geber als „die Größten und Näch-
sten der Deutschen" bezeichnet. Ein
Extrakt, der etwa Lei Schiller
22 große Quartseiten stark ist, und
Gedichte, Zitate aus den Dramen wie
aus der Prosa enthält. Also eine
Sammlung sogenannter „schöner
Stellen", ein rechtschaffenes Zitaten-
lexikon? Nein, eine Bibel, sagt
Schwaner, eine Germanenbibel als
ein von den „Besten der letzten
Jahrhunderte und Jahrzehnte" er-
sehntes gleichwertiges Gegenstück zur
Juden- und Christenbibel. Und wenn
wir künftighin vom heiligen Luther,
oder Goethe, oder — Scheser sprechen
würden, so wäre Schwaner gewiß
beglückt.

Jch weiß aber wirklich nicht, ob
wir aus dem Wege solcher Kanoni-
sierung sicherer in den Besitz ger-
manischen Denkens und Fühlens ge-
langen würden, als auf dem schlich-
teren Pfade der Vermenschlichung gei-

stiger Werte. Mir scheint: die Zahl
derer, die bei jeder Gelegenheit ein
Zitat aus der Tasche ziehen, um es
mit großer Ueberlegenheit als kräf-
tigste Münze des Beweises zu ver-
ausgaben, würde größer werden, aber
würde damit die Zahl der Denkfaulen
kleiner? „Welcher Dichter", schreibt
Hebbel einmal ins Tagebuch, „wird
nicht schaudern, wenn er liest: Shake-
spere sagt, Goethe sagt usw. und
daraus folgt, daß usw." Diesen
Schauder hat Schwaner mindestens
den von ihm bruchstückweise ange-
rufenen Poeten bereitet, und die
Denker unü sonstigen Großen im
Geiste kopfschütteln, vermute ich, auch
über ihre biblische Zwangsstellung.
Jeder derartige Bildungsextrakt —
und mag er zehnmal mit Wegweisern
ins Land der wahren Bildung be-
stellt sein — verleitet doch meist
zur Halbbildung, will sagen: zum
unverstandenen Herübernehmen von
poetischen oder Gedankenergebnissen,
deren eigentlicher Bildungswert nicht
so sehr in dem liegt, was sie sind
und aussagen, als er vielmehr auf
dem Wege zu finden ist, auf dem
sie unter Schmerzen und Hinder-
nissen erwachsen und erblüht sind.
Gewiß: auch eine Blüte an sich
ist schön und der Betrachtung wert,
vollends im Strauße oder Kranze,
der uns durch die Logik seiner Form
feine Kontraste erschließt und die
Gewaltsamkeit, die ihm vorhergehen
muß, durch eine neue Ordnung ver-
gessen und zum Teil wieder gut
macht. Diese Ordnung aber ist hier

264;

Runstwart XVIII, (7
 
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