Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1905)
DOI Artikel:
Aram, Kurt: Willensfreiheit und modernes Drama: persönliche Meinungen und vergessene Selbstverständlichkeiten
DOI Artikel:
Dresdner, Albert: Neue Berliner Baukunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0340

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
was er sich selbst zutraut, daß er sich nämlich genau so wie der Leser
bewußt ist, durchaus einseitig gewesen zu sein, die ganze Frage,
die viele Seiten hat, nur von einer betrachtet zu haben. Allerdings
von einer, die ihm im Augenblick besonders wichtig zu sein scheint.
Ueber dramatische Begabungen und Talente kann man nicht rechten
und richten. Ultra x>0886 nsmo obliAainr. Wohl aber über die Frage,
die hier betrachtet wurde. Deshalb nochmals: Ooisrum eou^so, auch
unsere Dramatiker mnssen erst wieder nicht zu Kant zurück, wohl
aber durch Kant hindurch, soll ihre Produktion über die Dauer bunter,
hübscher, talentvoller Eintagswesen hinaus gedeihen. Rurt Aram

sVeue Verttnsr Vaukunsr

Wenn man den älteren Teil des Wertheimschen Warenhauses
mit dem jüngst vollendeten vergleicht, so erstaunt man über die
Fortschritte, die der Erbaner Messel in wenigen Jahren gemacht
hat. Der alte Teil ist eine Konstruktion, der neue ein Kunstwerk.
Der alte Teil gleicht einem Skelette, dessen Knochenbau wohl durch-
aus gesund und organisch ist, aber es fehlen die Muskeln und
Sehnen, die Adern, der Blutumlaus, das Fleisch, die erst den leben-
digen, sich bewegenden Körper machen. Es ist dieser ältere Bauteil
ein durchaus ehrliches Werk, ja es ist die Schöpsung einer Art
von Ehrlichkeits-Fanatismus. Ehrlichkeit ist eine Voraussetzung,
eine Bedingung des Kunstwerkes, aber sie macht sür sich allein
noch nicht das Kunstwerk. Der Schreiner kann einen Tisch noch so
ehrlich zusarnmenzimmern, und dennoch kann dieser weit davon
entfernt sein, ein Werk der Schönheit zu sein, das die hier in Stofs
gesaßten Funktionen lebensvoll zum Ausdrucke bringt. Jetzt hat
denn also Messel den großen Schritt vom konstruktiven Schema zum
lebensvollen Kunstwerke getan; und unter den Mitteln, wodurch die
neue Wirkung erreicht worden ist, hebe ich besonders das eine her-
vor, daß er in die konstruktiven Hauptrichtungen und -Elemente
überall Hemmungen eingeschaltet hat. Es kann nicht ost genug
daran erinnert werden, daß die wohltuende Wirkung jedes Kunst-
werkes auf dem Verhältnisse, dem Gegensatze, der Gliederung und
Bewegung beruht. Für die ungeheuren Pfeiler des alten Baues,
die ungebrochen und ungegliedert vom Fußbodeu bis zum Dachsirste
durchgehen, fehlt dem Auge jeder Maßstab; es sliegt mit ihnen
die ungeheure Höhe empor, gleitet wieder an ihnen zum Fußboden
herab und wendet sich bald unbesriedigt von ihnen weg, da es
nirgends einen Ruhepunkt, nirgends ein Vergleichsobjekt entdeckt,
durch das es die Form, die Krast und die Leistung dieser gewaltigen
Träger sinnlich erfassen könnte. Auch die neue Fassade ist durch-
aus im Geiste konstruktiver Ehrlichkeit gebildet; aber es ist nicht
mehr die Ehrlichkeit eines Mannes, der es sür nötig hält, aus seine
Ehrlichkeit beteuernd hinzuweisen, sondern die natürliche Ehrlich-
keit des Gentlemans. Auch die neue Fassade zeigt mächtig empor-
steigende und mit großem Schwunge durchgesührte vertikale Linien,
aber ihnen ist ein Gegengewicht gegeben in der breit sich vor-
lagernden, in vier gewaltige Rundbogen sich nach dem Leipziger



290

Annstwart XVIII, t.8
 
Annotationen