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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 20 (2. Juliheft 1905)
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Gross, Karl: Kunstindustrie und Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0470

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so unecht sein. Unsre Vorfahren sparten vielleicht lange, bis sie
sich ein außergewöhnliches Hausgerät, ein Schmuck- oder Zierstnck
des Hauses leisten konnten, dann war es aber auch gut im Gebrauch
für Kinder und Kindeskinder.

Darum muß heute auch der Begriff „Kunsth an d w er k"
wieder deutlicher verstanden, reiner empfunden werden. Denn es
wurde bis jetzt eine Scheinkunst großgezogen und ein Parvenüge-
schmack, der im Publikum nicht nur den Srnn für kunsthandwerkliche
Arbeit tötete, sondern auch der Jndustrie schadete, weil er, statt
Qualitätswerte zu verlangen, die Jndustrie zwang, immer
billiger und billiger Scheinkunst zu fabrizieren, die schließlich das
Publikum für den Schund des Warenhauses und für den Fünfzig
Pfennig-Bazar reif machte. Hierin muß also auch im Jnteresse der
Jndustrie ein Umschwung herbeigeführt werden. Und zwar dadurch,
daß ihr zum Bewußtsein gebracht wird, was sie vom Kunsthandwerk
unterscheidet, damit sie ihr ureigenes Gebiet und ihre solide Grund-
lage finde.

Die Grenze zwischen Kunsthandwerk und Jndustrie zu ziehen,
ist gewiß nicht immer leicht, es muß aber versucht werden, um
beiden Teilen ihre Existenzberechtigung zu sichern. Es wird viel-
fach behauptet, das eigentliche Handwerk und in seiner Steigerung
das Kunsthandwerk sei heute nicht mehr zu retten, die ganze Ent-
wicklung gehöre der Maschine, der Jndustrie. Das ist ein großer
Jrrtum, denn was wir erstreben, ist nicht nur Zivilisation, es ist
Kultur. Wer schafft diese? Etwa allein die Kräfte des Verstandes
und des Wisfens? Sind die Seelenkräfte, die Gaben des Gemüts
und der Phantasie wohl unebenbürtige und zwecklose Zugaben?
Wenn auch jene heute herrschen, so wird ein natürlicher Rücklauf
diesen bald wieder mehr und mehr zur Wertfchätzung verhelfen, und
Anzeicheu hierfür sind bereits da. Diefe beiden Kulturfaktoren, Ver-
stand und Gemüt, spiegeln sich auch in Kunstindustrie und in Kunst-
handwerk. Es sei mir hierzu ein Vergleich gestattet.

Die Maschine schnurrt, sie will Arbeitsfutter haben — Massen-
herstellung — Massenverkauf — darum nur billig, billig — immer
weiter muß sie schnurren — immer Neues muß gefunden werden,
die Kauflust der Mafsen zu reizen; der Artikel schlägt ein — fabel-
haft billig — Massenabsatz — Rieseneinnahmen — die Mode dreht
sich — Arbeiter werden brotlos — sie streiken — Zölle — immer
noch billiger — Geschäft, nur Geschäft. —

So arbeitet die heutige Kunstindustrie. Sie schwankt mit dem
Jndustriestaate zwischen Hau886 und Lai886 auf den Wellen des Welt-
marktes, ein mächtiges Schiff, aus dem nur der Verstand das
Steuer führt.

Doch anderseits: Der Goldschmied soll in seiner Werkstätte
auch noch ein besonderes Ringlein für eine Braut hämmern,
der Tischler ihr ein Kästchen gestalten aus feinem Holze und ein-
gelegt, die Eltern schenken's ihr, und einen schönen Schlüssel zum
Oesfnen des neuen Heims. Ein Kirchenliederbuch, oder das Lebens-
werk eines guten Poeten in besonderem Einbande schenkt die Freun-
din, der Buchbinder hat's köstlich und eigens für sie zurechtgemacht

H06 Runstwart XVIII, 20
 
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