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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 22 (2. Augustheft 1905)
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Sprechsaal
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0596

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irgend etwas Herabsetzendes verbinden wollen. Jch wollte damit den Ver-
fasser lediglich und ganz sachlich als einen sich Entwickelnden auf einer
bestimmten R e i f e stufe bezeichnen: vor seinem seelischen und künstlerischen
Streben sprach ich gleich darauf meine Achtung aus, indem ich es „weit

über den Durchschnitt" stellte.

L lVeber

„Leben8rnc>rgen" von Wilkelrn fi^cker-Grar

Vorbemerkung. Erst neuerdings wächst in „weiteren Kreisen"
die Anteilnahme am Schaffen des Grazer Poeten Wilhelm Fischer, ob-
wohl er mit seinen ersten Werken schon vor mehr als zwanzig Jahren
an die Oeffentlichkeit trat. Kein Wunder. Jm Kampfestoben dieser Jahre
um Alt und Neu konnte die schlichte Gestalt des Dichters, der weder künst-
lerisch noch dem geistigen Gehalt nach eine Tendenz im Schlagwortsinne
vertritt, nur von den wenigen bemerkt werden, die für Poesie an sich
Sinn haben, mag sie von links oder von rechts, aus der Gegenwart oder
aus der Vergangenheit kommen. Von solchen ästhetisch unbefangenen Leuten
ist Fischer allerdings auch schon früher bemerkt worden. Sein berühmter
Landsmann Rosegger, der nie ein Dogmatiker war, zählt ihn sogar zu den
besten Erzählern der Gegenwart, wenn Fischer gleich in der Form nichts
weniger als modern, vielmehr ausgesprochen „altväterisch" sich gibt. Soweit
kann ich nun, offen gestanden, nicht gehn. Mir scheint, daß die Jnnigkeit
der Weltbetrachtung Fischers, seine natürliche „Liebe zum Licht" hin und
wieder in etwas zu bewußter Betonung ihres Gefühls sich der Manier
nähert und dann wohl auch an Sentimentalität hinstreift. Auch scheint mir
seine Stärke ganz augensällig in der Schilderung kindlicher und hilfsbedürftiger
Naturen mit allen Vorzügen und Beschränkungen der Kindlichkeit und Hilfs-
bedürftigkeit zu liegen; mein persönliches Empfinden wenigstens wird durch
seine Behandlung weiterer Lebensprobleme zumeist nicht voll besriedigt. Und
nicht immer, meine ich, gelingt es ihm, dem was ihn erfüllt, künstlerisch ge-
lungenen Ausdruck zu geben. Wie dem aber auch sei, das lebendige
Quellengemurmel wenigstens der Poesie höre ich bei ihm doch immer
durchdringen, auch wenn der Quell selber aus seiner verborgenen Tiefe bis
zum Tage nicht emporspringt. Und mit besondrer Freude meine ich bei all
meinen Vorbehalten in seinem Schaffen eine aufsteigende Entwicklung
wahrzunehmen. Jch glaube z. B. nicht, daß Fischer bisher ein in seiner
Art so entzückendes Kunstwerk geglückt ist, wie die Erzählung, nein, die
Dichtung vom „Schloß der Sonne". So schlicht dem Jnhalt nach die
Geschichte dieses äußerlich kränklichen, aber innerlich gesunden und sonnen-
sehnsüchtigen Knaben ist — der Jnnigkeit, der liebevollen Andacht des
Dichters gelingt es, das Gefühls- und Phantasieleben des Kindes mit einer
feinen Anschaulichkeit wiederzugeben, die in ihrer Einfalt, in ihrer schlichten
Eigenart trotz einiger kleineren Schwächen und „papierener" Ausdrucks-
steisheiten hier und da ganz entschieden von seelischer wie künstlerischer Be-
deutung ist. Es ist etwas von der Süße und Goldklarheit und doch auch
wieder von dem leisherben Wachsgeruch des Honigs in diesem Werklein. Jn
der Mondnacht fährt der lichte Fabelherr Singold über den Strom: „Das
Mondlicht flimmerte in seinem blonden Barte; ein Vogel sang i-n der

52H Runstwart XVIII, 22
 
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