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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1905)
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Batka, Richard: Japanische Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0698

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ILpaniseke j^lusik

Als vor etwa zwanzig Jahren eine englische Truppe Sullivans
köstlichen „Mikado" aus den Kontinent herüberbrachte, war alles von
dem exotischen Reiz der Farben und Reigentänze darin entzückt, wie
denn Japan überhaupt von den bildenden Künsten her entdeckt worden
ist. Unsere Mnsiker stutzten wohl, als die drolligen Rhythmen znm
ersten Male an ihr Ohr schlugen, fanden auch die Jnstrumentation,
besonders infolge der Anwendung rauschenden Schlagzeuges, sehr
charakteristisch, sahen aber nicht viel mehr darin als eine Kuriosität,
ebenso wie in Jones' „Geisha", die für eine vergröbernde Nachahmung
des Sullivanschen Originales gilt. Der erste Eindruck haftet, und da
wir japanische Musik zuerst in der komischen Verzerrung burlesker
Operetten vernahmen, lebt sie in unserer Vorstellung eigentlich immer
noch als etwas Burleskes und Komisches. Hand auss Herz! Haben
nicht gar viele unter uns das ganze Reich der aufgehenden Sonne
mehr oder weniger durch die Brille Gilberts, des Mikado-Librettisten,
angesehen, bis die blutigen Ereignisse im Osten uns die Japaner
doch in einem verteufelt ernsteren Licht erscheinen ließen?

Mittlerweile mußten wir freilich auch über Sullivan und Jones
zu andern Meinungen kommen. Leute, welche die englische Volks-
musik von der Quelle kannten, versicherten nämlich, daß gar vieles,
was man bisher sür echt japanisch gehalten, eigentlich gut londonisch
sei, und daß die genannten Komponisten wirklich nur hier und da
ein bißchen ostasiatische Farbe aufgetragen oder Eigenheiten in der
Führung der Tonlinie nachgeahmt hätten, z. B. die Wiederholung
akzentuierter Töne oder die Schlüsse durch mehrmaliges Festschlagen
der Tonika. Hatten uns übrigens die Musikgeschichten nicht gelehrt,
daß die japanische Musik so ziemlich mit der chinesischen übereinstimme,
und kannten wir diese nicht als ein Chaos unsinniger Mißklänge?
Vermutlich war also auch das, was bei Sullivan exotisch anmutete,
schon nach europäischem Muster frisiert und zivilisiert. Und was ging
uns das lächerliche Klimpern, Trommeln und Tuten dieser fernen
musikalischen Barbaren denn eigentlich an?!

Dann kam l.899 das Gastspiel der Sada Jacco und gab Europa
zum ersten Male Gelegenheit, echre japanische Musik zu hören. Man
war befremdet, aber nicht abgestoßen. Eine starke Stimmung ging
von der melodramatischen Begleitung der Vorgänge aus, und zwar
diente sie nicht wie bei uns dazu, um gewisse Stellen im Drama her-
auszuheben, sondern brach gerade an den Höhepunkten ab, um dann
durch die plötzlich eingetretene Stille die Spannung erst recht bis
zur Atemlosigkeit zu steigern. Das ganze Theaterorchester, ein ver-
körpertes Prinzip des kleinsten Kraftmaßes, bestand nur aus zwei
Musikern. Der eine zupfte sein Shamisen (eine Gitarre) und führte
die Melodie, wührend der andere das Schlagwerk bediente. Und welche
Wirkung erzielten die betden mitunter! Nahendes Verhängnis kün-
digte sich durch die unheimlichen Schlüge des Gong an. Eine bloße
Trommel versinnlichte ganz wundervoll das Heranschleichen, Lauern
und Hervorbrechen des Feindes und die Phasen eines verzweifelten
Ringkampses. Diesen Eindrücken verdanken wir die erste wissenschast-



2. Septemberheft
 
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