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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1905)
DOI Artikel:
Scheffler-Friedenau, Karl: Der Deutsche und seine Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0391

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Zeit zu Zeit am Glanz des hohen Ziels und arbcitet geduldig
daran, das Bescheidene so zu tun, als ob es das Höchste wäre. Reinheit
und großes Wollen, Gemütstiese und Seelenstärke sollten Voraus--
setzung snr Alle sein, die sich mit der Kunst beschäftigen; aber die
Vernunft muß neben der Leidenschaft stehen, wie der Lenker neben
dcm feurigen Roß. Nur der Jdiot oder der Unwürdige wagt es.
die hohen Tugenden der Menschenseele zu beschimpfen. Aber es ist
nicht wahr, daß man Begeisterung, die Himmelstochter, lästert, wenn
man ihr eine bescheidenere Arbeit anweist, als stärkere Geschlechter
verrichten durften. Wer es wünscht, daß nnserm Volk einst eine
Kultur nnd Knnst werde, so groß und stolz wie die der Griechen,
der fange doch ja damit an, sich selbst zum Griechen zn machen.
Nie wird er es erreichen, wenn er den starken Sinn für Wirklich-
keiten, den Verstand und die Selbstkritik ausschaltet.

*

Unter den Deutschen gehen noch viele Lebenslügen um. Auch
in den Kreisen derer, die sich die Jünger der impressionistischen
Kunst nennen, sind sie. Aber das sind Probleme für sich; Schwächen
dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dadurch, daß ein
anderer schlimm handelt, werde ich nicht besser. Die schweren Jrr-
tümer, von denen hier gesprochen worden ist, gehen vor allem Teile
unseres Volkes an, die sich als Leser dieser Hefte zu begegnen pflegen.
Es wärc wohlfeiler gewesen, sie von den Sünden der Gegenpartei
zu unterhalten. Statt aber in solcher Weise mittelbar zu schmei-
cheln, habe ich es vorgezogen zu sprecheu, wie ich es getan habe.

Aarl S ch esfl er-Fried enau

G

Jch glaube im Namen der überwiegenden Mehrheit unsrer
Leser zu sprechen, wenn ich dem Herrn Verfasser vor allem danke.
Er hat uns den Standpunkt der Männer und Frauen, die, sagen
wir der Einfachheit wegen: im modernen Jmpressionismus das Heil
auch der deutschen Malerei von heute sehen, so klar gezeichnet, wie
bisher kaum xin anderer. Meine Antwort kann heute knapp scin.
Jn vielem, vielleicht im meisten stimme ich auch Schefflers Aus-
führuugen in prinzipieller Beziehung eiufach bei, erst bei der Au-
Wendung dcr Grundsätze auf den einzelnen Küustler, also: bei der
Diagnose gchen wir oft auseinander.

Mit Schcffler glaube ich, daß die Berechtiguug und die Wichtig-
keit des Jmpressionismus gerade heutzutage nicht entschieden genug
betont werden kann. Nur glaube ich es nicht, weil ich diese Nichtung
in unsrer Kunst allcin oder doch vor allen anderen für berechtigt
hielte, sondern weil ich fürchte, daß man im Kampf gegen ihre Vor-
herrschaft wieder einmal das Kind mit dem Bade ausschüttcn uud
auch das geringschätzeu uud verwerfen köunte, was sie uns an Korn
und Keim gebracht hat. Daß mit dem Worte „deutsch" in der Kunst
fehr viel Unfug getrieben wird, gebe auch ich bereitwillig zn. Daß
lich immerhin auch klare Begriffe damit verbinden lassen, scheint
nnr jedoch nach dcn historischen Vergleichungen kaum bestreitbar,
"ie z. B. Thode in Meyers „Deutschem Volkstum" versucht hat.

2. Dezembcrheft M5 !
 
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