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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1906)
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Obrist, Aloys: Klavierspielapparate und musikalische Seelenwerte
DOI Artikel:
Scheffers, Otto: Sprechsaal: zum Zeichenunterricht in den Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0675

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seelischen Wert getan, als wenn er ein Dutzend vorzüglicher Photo-
graphien von demselben Gegenstand aufgenommen hätte. Manche
Parallele enthalten auch die Begriffe: nivellierender Zentralstaat und
individnalisierender Bundesstaat, bequeme Reise im Luxuszug durch
eine schöne Gegend und intime Fußreise durch die gleiche Strecke,
raffinierter chemischer Veilchengeruch und der Duft eines einzigen, in-
folge eines unendlich verwickelten Lebensprozesses gewordenen Veil-
chens usw. Der Mann, der mir sagt: ich kann und mag nicht Klavier
spielen oder spielen lernen, aber es mit der Phonola zu spielen ist
mir ein inniger Genuß — dieser Mann hat mir eine gewisse seelische
Schwäche offenbart.

Es wird nun nicht an solchen fehlen, die meinen: ntan dürfe nicht
aus (angeblich) rein prinzipicllen Gründen eine aufblühende Jndustrie
durch Tadel und Verkleinerung schädigen. Dies ist jedoch durchaus
nicht zu besorgen, denn ebensowenig wie die Korsettfabriken durch den
gesunden Kampf gegen den Korsettblödsinn Plötzlich ruiniert werden,
ebensowenig wird die deutsche Phonola- und Mignonfabrikation durch
richtige Erkenntnis von ihrem im innersten Kern doch unkünstlerischen
Wesen seitens der Künstler ruiniert. Sie wird von der allmächtigen
Mode etliche Jahre ihren redlich verdienten Gewinn einheimsen. Was
wir Künstler, Kunstfreunde nnd Kunstärzte zu tun haben, ist aber:
dafür zu sorgen, daß die individualistische, persönliche Kunstübung nie-
mals einer noch so blendenden mechanischen Kunst gleichgestellt oder
gar untergeordnet werde, sei jene auch noch so bescheiden.
Jeder muß in seinem Kreise und nach seincn Kräften nach wie vor dazu
lbeitragen, daß die Mnsikausübung und vor allem der Mnsikunterricht
immer mehr vervollkommnet werde. Nie aber wird er die Phonola-
verbreitung aktiv unterstützcn, es sei denn etwa in der Verhinderung
der Aufnahme schlechter Werke in die Notcnrollen.

Wer die stöO Mark, die ihm die Anschaffung der Phonola kostet,
und die paar hundert Mark für Ankauf oder Miete der Rollen an-
wendet, um besseren Unterricht zu erhalten, wer in seinem Haus oder
Kreise für nötigenfalls bescheidenes Erlernen von Klavier, Flöte, Horn,
Violoncello, Gitarre, Volksliedervortrag oder Kanongesang usw. sorgt
oder sich bemüht, der tut mehr für scine eigene oder seiner Mitmenschen
seelische Persönlichkeit und mehr fnr das lebendige Wirken der Kunst,
als wenn er sämtliche Lisztsche Nhapsodien in teilweise „verblaßter"
Auflage exakt und sicher mit der Phonola herunterrasselt, ohne cinen
Ton Klavier spielen zu können. Aloys Vbrist

lUnter sachllchcr Verantwortung dcr Nnscnder)

Turn 2eiekenunterrickt in äen 8ckulen

Schultze-Naumburg hat hier kürzlich (Kw. XIX, 7) schwere Be-
deuken gegen die einseitig impressionistische Ausbildnng unseres heu-
tigen Malergeschlechtes geäußert. Seine Ausführungen geben einen

540 Runstwart XIX,I
 
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