Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Spitteler, Carl: Aus dem Zirkus: eine Faschings-Betrachtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
iiöer alle Uebieie^eAWöönen.


S.Stück.

Lrscbcint

Derrrusgeber:

zferdinand Aveilanns.

Kcsrcllpreis:
viertekjährlich 2 r 'z Mnrk.

2. Zabrg.

Llus dem Lirkus.

Liuc Fascbings-Wctraebtuug.

'air hält es keineswegs für eine Lrnied-
(^rigung der Äuiistbetrachtung, weuu wir
tLauch das Lfandwerk uuter deu ästhetischen
!^^Gesichtspuukt stelleu, im Gegenteil. Uud
mit Necht, deun ein echter Mensch ist etwas Ganzes,
er duldet das Häßliche, das Dumme und das Ge-
meine schlechterdings nicht uin sich, einerlei unter
welchem Namen oder vorwand es an ihn heranzu-
schleichen suche. Deshalb kaun ich es ebenfalls nicht
für gleichgültig halten, was im Zirkus geschehe, uud
nicht sür eine Lntwürdigung des „Ruustwarts", darüber
zu sprechen.

Der ästhetische wert des Zirkus ist übrigens
kein geringer, da körperliche Rraft- und Runstleistungen
Amnut zum Lohn cintragen. Gr könnte noch be-
deutend erhöht werden, wenn statt der virtuosen Aunst-
sertigkeit die ^chönheit der Leistung als Zweck ins
Auge gefaßt würde. Der Zirkus als eiue Anstalt der
höheren Gymnastik iin Dienst der Ästhetik ausgesaßt
und deinentsprechend geleitet, müßte unsehlbar sür
den bildenden Aünstler und den Lreund der bildenden
Aunst eine Anschauungsschule ersten Nanges werden,
wie er es thatsächlich zuin Teil jetzt schon ist, trotz
seiner Grundsatzlosigkeit, Unsicherheit und Unzulänglich-
keit. Das neueste Herzuziehen von Amzügen und
Tänzen ist dabei voin Standpunkt des Genießenden
zu billigen; daß die Theater an einigen Orten den
obrigkeitlichen Schutz gegen die Zirkusballetvorstellungen
angerufen und erhalten haben, spricht gewiß nicht
gegen deren Neiz; denn man wehrt sich nicht gegeu
uugesährliche Nebenbuhlerschasten. Neben der Gyin-
nastik aller Art besitzt übrigens der Zirkus noch eiue
Anziehungskrast, die er gegenwärtig nur spärlich und
gar kläglich benützt, nämlich die Attmik. Lrinnern
wir uns, was sür eine Nolle die selbständige Nttinik

iin Altertmn spielte und vergleichen wir danüt die
untergeordneten Dieuste, welche die Attnük iin modernen
Theater zu verrichten hat, so bleibt ein nnabsehbarer
Nest von N'löglichkeiten, der naturgemäß dem Zirkus
zufällt, da das Theater ihn verschmäht. <Ls ist ja
nicht gesagt, daß es durchaus s?automimeu und daß
die pantomimen durchaus läppisch seiu müsseu; der
Nwnsch kann uoch etwas auderes mit seinen Gliedern
ansangen, als sich in eiuen Nasten mit drei Nlappen
zu verkriechen. Überhaupt legt der Zirkus eiue merk-
würdige Lrsinduugslosigkeit an den Tag, sobald die
cchantasie sich von den s?serdeställen entferut; uud
weuu ich hiermit eiuige Übelstäude rüge, so geschieht
es nicht aus Feindseligkeit gegen den Zirkus, soudern
aus dem sreundschaftlicheu Munsch, ihm diejenige
Dollkommenheit erreichen zu sehen, die ihm gebührt
uud die ihm so nahe liegt. warum erscheiut der
Zirkus so Ntaucheu uuter uns unaussprechlich laug-
weilig? weil er, statt seiue nnermeßliche Freiheit zu
benützen, uus mit alteu Nuuststüekchen abspeist, von
welchen viele niemals einem vernünstigen Auge Der-
guügen bereitet haben. Zm Gebiete der jcherdedressur
gehört hierher Alles, was der Natur des j?serdes
widerspricht uud seiner Schönheit Abbruch thut: z. N.
das Niederkuieen, das sich auf dem Nücken Mälzeu,
das kserumrutscheu der ü">terbeiue im Saud, während
die Dorderfüße entweder aus deu Schranken oder
aus rolleudem IDageu stehen, und Ähnliches; im Ge-
biete der „berittenen Gymnastik" das Neis- uud
Teppichspringen, welcheszwar dem2luge!?ergnügen ge-
währt, allein im Nnterschied von den Doltigirkünsten
ein so bescheidenes, daß die endlose kViederholung
namenlosen Überdruß hervorrusen muß. Der Turu-
kunst an Geräten thäte eine Beschränkung, und zwar
innerhalb der Schranken der Schönheit, ebensalls


— 12s —
 
Annotationen