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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 10
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0160

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in New-^ork eingetroffenen Dampfers La Bourgogne der
kferzog von Durcal, ein spanischer Grande nnd Gnkel des
gegenwärtigen Königs von Spanien, dessen vollständiger Näine
dein Gothacr Alinanach zusolge jdcdro d'Alcantara, Ätaria de
Guadeloupe, Tcresa Isabella Francesco d'Assisi, Gabriel

Tebastian Lhristina de Bourbon y Bourbon, kserzog de Durcal
ist. Der so vielfach benainste hohe Reisende aus dein Lande
der Aästanien ist zu dem Zwecke nach Ainerika gekoininen,
seine wcrtvolle Geinäldegalcrie gegen ainerikänisches Geld
uinzutauschen."


Lpreckskirtl.

CAnter sacblicbcr vcranNvortung dcr Dcrren Linsender.)

In Sachen: Rokoko.

Der Aufsatz des kserrn ^erausgebers dieser Zeit-
schrift im 8. Stücke enthält neben Dielein, was wir
billigen, auch Akanches, was entschieden zum iwider-
spruch herausfordert. wlan wird namentlich unter-
schreiben können, was über die ästhetische Lrziehung
des Aunsthandwerkers gesagt wird. wenn es da
heißt: „es inuß inehr auss Derstehen hin gearbeitet
werden, statt auss Auswendiglernen", so inöchten wir
dazu bemerken, daß wir selbst aus einer großen kunstge-
werblicben Schule Gelegenheit hatten zu hören, wie gerade
das Derständnis der Stilersordernisse durch geeignete
vorträge in durchaus zweckentsprechender weise an-
gestrebt wurde. Daß viele Aunsthandwerker, denen
diese Belehrung nicht zu Teil geworden ist, durch
sinnloses Nachahinen Stilwidriges geschasfen, be-
ziehentlich durch die Iagd nach Neuein dazu veran-
laßt werden, kann Nieinand leugnen. Schuld der
Nunstgewerbeschulen ist das aber nicht.

ksinsichtlich des Nokokostils sind wir durchaus
anderer Ansicht, als der verfasser jenes 2lussatzes.
Zusörderst inüßten wir uns allerdings über den Be-
grisf Nokoko verständigen. Der Dresdner Zwinger
ist kein Nokoko iin Sinne dessen, was inan gegen-
wärtig unter diesem worte versteht. Lr trägt die
Forinen des rönüschen Barockstils an sich; will inan
noch genauer sein, so würde inan sagen, daß die
Galerien und die Gckgebäude iin Nenaissancestil, die
jstavillons im üppigen Barock gehalten sind; ihre
geniale Derbindung bei einem durchaus klaren und
zweckentsprechenden Grundrisse giebt den eigenartigen
Zwingerstil, zu dem sich uirgends aus Grden ein
Seitenstück sinden läßt. Näheres hierüber sindet sich
u. a. in meinem Buche „Barock und Nokoko", Studien
zur Dresdner Baugeschichte im s8. Zahrhundert
oder in Dohmes „Geschichte der deutschen Bau-
kunst" usw. Daß diese Ausicht in Ustiderspruch
mit dem bekannten Ausspruche Sempers l5til II, t?2)
steht, ist mir bekannt, indeß ist Sempers Ansicht in
dieser bsinsicht allgemein ausgegeben. Zn anderer
Nichtung aber wird Sempers Ansicht wohl sür immer
ihre Geltung behalten. Lr sagt (Stil II, 52 7):
„Nun (unter der Negence und Lmdwig XV.) macht
sich das Nlöbel von den Gesetzen der architektonischen
Tradition sast völlig unabhängig, bleibt es nur noch
durch die absolute Angemessenheit für aller-
dings ost frivole und kapriziäse Zwecke und durch
die <L i g e n sch aste n der Stosse an die Form
gebunden, in dieser Beziehung einzig dastehend in der
Geschichte der Nünste. Dieser Stil bildet sich zunächst
an den allereigentlichsten Nlöbeln, d. h. den Stühlen
und Tischen heran, gewinnt aber durch die daraus
solgende Uebertragung aus Schränke und Getäsel
auch Luß in der Baukunst, in welcher sogar die ur-
alte Tradition der Säulenordnungen von dem herrschend
werdenden geschweiften Tischlerrahmenwerk sast ver-

drängt wird, indem dieses in den ^teinstil übergeht.
Die organische Belebung des Nahmens als Lr-
satz sür die nur sehr spärlich vorkommenden Gesimse,
jstilaster und Säulen ist an sich betrachtet eine höchst
genials Neuerung, von der die antike Bau-
tradition nichts weiß und die sich vielleicht, in
einer minder spezifisch dem Zeitalter ihrer Trfindung
angehörigen Meise, noch verwerten läßt. Nlög-
lich, daß man daraus zurückkommt, wenn die Bau-
kunst einmal wieder ihre humoristische Richtung
einschlägt." An auderer ^>telle sagt 5emper (II, 325):
„Die Schweisung der Mandslächen ist bei hölzernen
Strukturen an sich durchaus nicht prinzipiell verwers-
lich, vielmehr spricht die Furniturarbeit den geschweisten
Formen entschieden das Mort .... Lsauptsächlich
dieses dem cholze entsprechende Nlotiv, aus Schränke,
Nommoden, Tische und Stühle angewandt, sörderte
und entwickelte gerade jenes Leben, jene bequeme,
schmiegsame und bewegliche Selbständigkeit der mobilen
Strukturen während der Zeiten des Barock- und
Nokokostils." An dritter Stelle sührt Semper aus
(II, t7t/72), wie der Nokokostil den Stilersorder-
nissen des jstorzellans „vollkommen gerecht i st."

Der crste der im bekämpsten Aufsatze vorgebrachten
Gründe, welcher von der Geschicklichkeit spricht, die
der Nokokostil ersordert, kommt hier nicht in Betracht,
da sich technische Geschicklichkeit und innere IVahr-
heit doch nicht ausschließen, wennschon jene allerdings
kein genügender Grund zur Ausnahme irgend eines
chtiles ist; soll ein Runstwerk vollkommen besriedigen,
so müssen beide da sein. Zum anderen ist die
Leistungssähigkeit des Nokokostils sür Nepräsentations-
zwecke von Lreunden desselben angesührt worden;
vom Gegner gesagt, „das Runstwerk solle sich nicht
herablassen, den jstrotzwert des Nokokos als einen
Lmpsehlungsgrund zu nennen." Dazu ist zu be-
merken, daß das Nokoko bekanntlich auch sür bürger-
liche Zwecke Nlöbel ausgebildet hat, die von manchen
Lirmen gegenwärtig wieder regelmäßig hergestellt
werden. Drittens ist gesagt worden, die Nokokomöbel
seien bequemer als die altdeutschen. Das ist nicht
widerlegt und ist auch nicht zu widerlegen Der alt-
deutsche ^til muß erst, wie von Avenarius zugegeben
wird, unseren Bedürfnissen gemäß umgestaltet werden,
ehe seine Nlöbel sür uns bequem sind; die alten
Nokokomöbel sind auch noch sür uns ohne jede
Aenderung bequem.

Zedensalls muß als seststehend betrachtet werden,
daß Semper mit klaren Gründen das Nokoko als
gleichberechtigten Stil, nicht als eine bloße Nlanier,
kennzeichnet. Solange nicht Semper selbst widerlegt
ist, werden wir daran sesthalten müssen. Als Archi-
tekturstil hat das Rokoko keine irgendwie hervorragende
Bedeutung erlangt, es hat sich, von den Galerien,
Grangerien usw. abgesehen, vorläufig unsruchtbar
gezeigt, im Aunstgewerbe dagegen hat es seine ent-


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