schafft, die Maschine, die sein Muster webt oder druckt,
ebenso zu handhaben verstehen muß, wie der Lsand-
weber sein Schiffchen, die Stickerin ihre Nadel, der
Handdrucker und der Maler das Nlodellbret und den
pinsel, und daß die Nlaschine in diesen und hundert
anderen Fällen nur ein vereinsachendes Handwerks-
zeug vorstellt. Nkaschinenarbeit ist in unserer Zeit
nicht mehr gleichbedeutend mit Dutzendware; bereits
schafft sie Werke, denen ein künstlerischer wert zuer-
kannt werden muß, und sie wird darin zu immer
weiterer Vollendung kommen. Die vielen mechanischen
Vervielsältigungsmittel, die unseren Zeichnern jetzt zu
Gebote stehen, sind keine Schädigung, sondern nur eine
Weiterentwicklung und Bereicherung des Technischen
in der Runst und also auch im Runstgewerbe.
Aufhören wird die Handarbeit auf den verschiede-
nen Gebieten des Runstgewerbes niemals, denn gerade
ihre Niederlagen gegen die Nlaschinenarbeit werden sie
zu neuen Anstrengungen und zum Überbieten derselben
reizen. Die Maschinenarbeit aber wird eher zu- als
abnehmen, und dies können wir als kein Unglück be-
trachten. Nach unserer Nleinung gilt es nicht, die
mechanische Lserstellungsweise zubekämpfen, sondern
Mittel und Wege zu finden, sie in würdiger Meise
sür das Runstgewerbe zu verwerten, sie in künstlerische
Bahnen zu lenken. wenn dies gelingt — und warum
sollte es nicht gelingen? — so ist, bei der ungeheuren
verbreitung der durch die Maschine hergestellten kunst-
gewerblichen Gebrauchsartikel damit mindestens ebenso
viel für die wahre Hebung des Runstgewerbes und
des künstlerischen Lmpfindens der Nation gethan, wie
dies durch die oon Lessing angeregte und geforderte
Staatshilfe zurFörderung der kunstgewerblichen
Linzelleistung geschehen kann."
Vonl
Über Detlev von Liliencron den Dramatiker ist
in diesen Blättern schon früher einmal von Peter Lsille (I, 6)
gesprochen worden; ein neu erschienener Band „Gedichte"
(Leipzig, Friedrich) giebt uns den Anlaß, heut mit einigen
worten auf den Lyriker Liliencron hinzuweisen.
Dort der Rauch aus taufend Schlünden,
wie drückender Nebel auf Thälern und Gründen;
Das ist der Feind, was er pusten kann;
wahre dich, wahr dich, es trabt wer heran:
Vor sechzig Schwadronen hat in den wogen
Lin junger Aaifer den Pallafch gezogen,
Und blendend im plötzlichen Sonnengießen
Siehst du den Stahlstrom vorüberschießen.
Der Angriff krümmt schon die Finger zum Raub,
Als gelbgraue wolke folgt ihm der Staub
Und hüllt ihn ein — und langfam, gemach
Fährt der Siegeswagen ihm nach.
Lin stämmiges Frauenzimmer regiert
In der Linken des edlen Gespannes Geviert.
wie der Anecht, der an Aummten nnd Arippen geboren,
Anallt sie vom Stand aus dem Zug um die Ghren.
bfinter ihr raschelt, am Lnde der Muschel,
Lin ununterbrochenes Lorbeergetuschel.
Diese verse, „jdoesie" überschrieben, sind höchst bezeichnend
für Liliencron. Ls wird nicht Diele geben, denen nicht zu-
nächst ein Gefühl der unbehaglichen Beffemdung beim Lefen
aufsteigt. Die Siegesgöttin im Triumphwagen — ein stäm-
miges Frauenzimmer, das wie ein 5tallknecht um die sifferde
knalltl Aber wir empfinden doch Lines unmittelbar: das ist
keine gesuchte kfäßlichkeit, das ist echt. Ls ist keine konven-
tionelle Anfchauung, keine von der Schule her mitgebrachte
vorstellung. So kann etwa ein derber Aavallerieosfizier feine
Lmpfindung bezeichnen, dem feine höchst dunklen Lrinner-
ungen an eine gewisse Siegesgöttin Nike im herrlichen Lin-
druck einer gewaltigen Schlacht zur lebendigen Anschauung
sich neugestalten. Und das ganze visionäre Bild: wie sehen
wir's, und wie sehen wir's als Linheit! — Ich schreibe
den Lesern, denen mit jener „poesie" allzu Ungewohntes ge-
boten ward, noch ein anderes Gedicht Liliencrons her, ein
älteres, aus den „Adjutantenritten".
Ls war die Zeit um Sonnenuntergang,
Ich kam vom linken Flügel hergejagt.
Granaten heulten, heiß im Mörderdrang,
kfol euch die j)est, wohin ihr immer schlagtl
Ich flog indesfen, das war nichts gewagt,
Unter sich kreuzendem Geschoß inmitten.
Rechts reden unsre Rohre, ungefragt,
Links wollen feindliche sich das verbitten.
Gezänk und Anspucken, ich bin hindurchgeritten.
Plötzlich erkenn ich einen Iohanniter
Am roten Areuz auf seiner weißen Binde.
wo kommst du her, du fchneidiger Tamariter,
was trieb dich, daß ich hier im Aampf dich finde?
Lr aber riß vom ^aupt den ksut geschwinde
Und schwang ihn viel, den seltnen Lüftekreiser,
Und schwang ihn hoch im schwachen Abendwinde,
Und rief, vom Reiten angestrengt und heiser:
Gestern ward unser greiser, großer Aönig Aaiser.
Und zum Salute donnern die Batterien
Den Aaisergruß, wie niemals er gebracht.
Iweihundertsünfzig heiße Ulunde schrieen
Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.
Scheu schielt aus gelbgesäumter wolkennacht
Ium ersten Mal die weiße wintersonne,
Und schwefelfarben leuchtete die Schlacht
Bis auf die fernst marschirende Aolonne —
Daß hoch mein jung Soldatenherze schlug in wonne.
Tot lag vor mir ein Garde mobil du Nord,
Ls scharrt mein Fuchs und blies ihm in die bfaare.
Da klang ein Ton herüber an mein Ghr,
Den kjöllenlärm durchstieß der Ton, der klare.
Nüchtern, nicht wie die schmetternde Fanfare,
Alang her das kjorn von jenen lNusketieren.
Daß Dir, mein vaterland, es Gott bewahre,
Das Infanterie-Signal zum Avanciren,
Dann bist du sicher vor Franzosen und Baschkiren.
Ium Sturml Zum Sturml Die kjörner schreien l Draufl
Ls fprang mein Degen zifchend aus dem Gatter.
Uud rechts und links, wo nur ein Flintenlauf,
Ich riß ihu mit ins feindliche Geknatter.
Lerman! Lerman! Durch Blut, Gewehrgeschnatter,
Durch Schutt und Gualml Schon fliehn die Augelspritzen.
Der wolf brach ein, und matter wird und matter
Der widerstand, wo seine Zähne blitzen.
Und Siegesband umflattert unsere Fahnenspitzen.
was den Poeten Liliencron vor allem wert macht, das ist
seine köstliche dichterische Lhrlichkeit. Lin lNann von aus-
geprägtestem Schönheitsfinn, sogar ein verehrer Platens (der
sich vor ihm bekreuzt haben würde, wie vor dem Gottseibei-
uns), ist er doch gar nicht im Stande, etwas anders nieder-
zuschreiben, als wie er's im Augenblick voll empfindet. Lr
hätte längst ein größeres Publikum, stünd' es anders. Lr
nimmt auch eine ganze Menge von versen in seine Bücher auf,
die keine Poesie sind, blos, weil er sie selber voll empfunden
hat und denkt, nun müßten sie auch in andern so kräftiges
Lmpfinden wecken. Aber wie viel des auch dichterisch bis
I auf den Aern Lchten verdanken wir dieser unbefangenen Lhr-
i lichkeit. Ls kommt bei Liliencron nicht vor, was bei fo vielen
! und Anerkannten fo häufig ist: daß wir ihr lebendiges lNenschen-
— 2SS —
ebenso zu handhaben verstehen muß, wie der Lsand-
weber sein Schiffchen, die Stickerin ihre Nadel, der
Handdrucker und der Maler das Nlodellbret und den
pinsel, und daß die Nlaschine in diesen und hundert
anderen Fällen nur ein vereinsachendes Handwerks-
zeug vorstellt. Nkaschinenarbeit ist in unserer Zeit
nicht mehr gleichbedeutend mit Dutzendware; bereits
schafft sie Werke, denen ein künstlerischer wert zuer-
kannt werden muß, und sie wird darin zu immer
weiterer Vollendung kommen. Die vielen mechanischen
Vervielsältigungsmittel, die unseren Zeichnern jetzt zu
Gebote stehen, sind keine Schädigung, sondern nur eine
Weiterentwicklung und Bereicherung des Technischen
in der Runst und also auch im Runstgewerbe.
Aufhören wird die Handarbeit auf den verschiede-
nen Gebieten des Runstgewerbes niemals, denn gerade
ihre Niederlagen gegen die Nlaschinenarbeit werden sie
zu neuen Anstrengungen und zum Überbieten derselben
reizen. Die Maschinenarbeit aber wird eher zu- als
abnehmen, und dies können wir als kein Unglück be-
trachten. Nach unserer Nleinung gilt es nicht, die
mechanische Lserstellungsweise zubekämpfen, sondern
Mittel und Wege zu finden, sie in würdiger Meise
sür das Runstgewerbe zu verwerten, sie in künstlerische
Bahnen zu lenken. wenn dies gelingt — und warum
sollte es nicht gelingen? — so ist, bei der ungeheuren
verbreitung der durch die Maschine hergestellten kunst-
gewerblichen Gebrauchsartikel damit mindestens ebenso
viel für die wahre Hebung des Runstgewerbes und
des künstlerischen Lmpfindens der Nation gethan, wie
dies durch die oon Lessing angeregte und geforderte
Staatshilfe zurFörderung der kunstgewerblichen
Linzelleistung geschehen kann."
Vonl
Über Detlev von Liliencron den Dramatiker ist
in diesen Blättern schon früher einmal von Peter Lsille (I, 6)
gesprochen worden; ein neu erschienener Band „Gedichte"
(Leipzig, Friedrich) giebt uns den Anlaß, heut mit einigen
worten auf den Lyriker Liliencron hinzuweisen.
Dort der Rauch aus taufend Schlünden,
wie drückender Nebel auf Thälern und Gründen;
Das ist der Feind, was er pusten kann;
wahre dich, wahr dich, es trabt wer heran:
Vor sechzig Schwadronen hat in den wogen
Lin junger Aaifer den Pallafch gezogen,
Und blendend im plötzlichen Sonnengießen
Siehst du den Stahlstrom vorüberschießen.
Der Angriff krümmt schon die Finger zum Raub,
Als gelbgraue wolke folgt ihm der Staub
Und hüllt ihn ein — und langfam, gemach
Fährt der Siegeswagen ihm nach.
Lin stämmiges Frauenzimmer regiert
In der Linken des edlen Gespannes Geviert.
wie der Anecht, der an Aummten nnd Arippen geboren,
Anallt sie vom Stand aus dem Zug um die Ghren.
bfinter ihr raschelt, am Lnde der Muschel,
Lin ununterbrochenes Lorbeergetuschel.
Diese verse, „jdoesie" überschrieben, sind höchst bezeichnend
für Liliencron. Ls wird nicht Diele geben, denen nicht zu-
nächst ein Gefühl der unbehaglichen Beffemdung beim Lefen
aufsteigt. Die Siegesgöttin im Triumphwagen — ein stäm-
miges Frauenzimmer, das wie ein 5tallknecht um die sifferde
knalltl Aber wir empfinden doch Lines unmittelbar: das ist
keine gesuchte kfäßlichkeit, das ist echt. Ls ist keine konven-
tionelle Anfchauung, keine von der Schule her mitgebrachte
vorstellung. So kann etwa ein derber Aavallerieosfizier feine
Lmpfindung bezeichnen, dem feine höchst dunklen Lrinner-
ungen an eine gewisse Siegesgöttin Nike im herrlichen Lin-
druck einer gewaltigen Schlacht zur lebendigen Anschauung
sich neugestalten. Und das ganze visionäre Bild: wie sehen
wir's, und wie sehen wir's als Linheit! — Ich schreibe
den Lesern, denen mit jener „poesie" allzu Ungewohntes ge-
boten ward, noch ein anderes Gedicht Liliencrons her, ein
älteres, aus den „Adjutantenritten".
Ls war die Zeit um Sonnenuntergang,
Ich kam vom linken Flügel hergejagt.
Granaten heulten, heiß im Mörderdrang,
kfol euch die j)est, wohin ihr immer schlagtl
Ich flog indesfen, das war nichts gewagt,
Unter sich kreuzendem Geschoß inmitten.
Rechts reden unsre Rohre, ungefragt,
Links wollen feindliche sich das verbitten.
Gezänk und Anspucken, ich bin hindurchgeritten.
Plötzlich erkenn ich einen Iohanniter
Am roten Areuz auf seiner weißen Binde.
wo kommst du her, du fchneidiger Tamariter,
was trieb dich, daß ich hier im Aampf dich finde?
Lr aber riß vom ^aupt den ksut geschwinde
Und schwang ihn viel, den seltnen Lüftekreiser,
Und schwang ihn hoch im schwachen Abendwinde,
Und rief, vom Reiten angestrengt und heiser:
Gestern ward unser greiser, großer Aönig Aaiser.
Und zum Salute donnern die Batterien
Den Aaisergruß, wie niemals er gebracht.
Iweihundertsünfzig heiße Ulunde schrieen
Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.
Scheu schielt aus gelbgesäumter wolkennacht
Ium ersten Mal die weiße wintersonne,
Und schwefelfarben leuchtete die Schlacht
Bis auf die fernst marschirende Aolonne —
Daß hoch mein jung Soldatenherze schlug in wonne.
Tot lag vor mir ein Garde mobil du Nord,
Ls scharrt mein Fuchs und blies ihm in die bfaare.
Da klang ein Ton herüber an mein Ghr,
Den kjöllenlärm durchstieß der Ton, der klare.
Nüchtern, nicht wie die schmetternde Fanfare,
Alang her das kjorn von jenen lNusketieren.
Daß Dir, mein vaterland, es Gott bewahre,
Das Infanterie-Signal zum Avanciren,
Dann bist du sicher vor Franzosen und Baschkiren.
Ium Sturml Zum Sturml Die kjörner schreien l Draufl
Ls fprang mein Degen zifchend aus dem Gatter.
Uud rechts und links, wo nur ein Flintenlauf,
Ich riß ihu mit ins feindliche Geknatter.
Lerman! Lerman! Durch Blut, Gewehrgeschnatter,
Durch Schutt und Gualml Schon fliehn die Augelspritzen.
Der wolf brach ein, und matter wird und matter
Der widerstand, wo seine Zähne blitzen.
Und Siegesband umflattert unsere Fahnenspitzen.
was den Poeten Liliencron vor allem wert macht, das ist
seine köstliche dichterische Lhrlichkeit. Lin lNann von aus-
geprägtestem Schönheitsfinn, sogar ein verehrer Platens (der
sich vor ihm bekreuzt haben würde, wie vor dem Gottseibei-
uns), ist er doch gar nicht im Stande, etwas anders nieder-
zuschreiben, als wie er's im Augenblick voll empfindet. Lr
hätte längst ein größeres Publikum, stünd' es anders. Lr
nimmt auch eine ganze Menge von versen in seine Bücher auf,
die keine Poesie sind, blos, weil er sie selber voll empfunden
hat und denkt, nun müßten sie auch in andern so kräftiges
Lmpfinden wecken. Aber wie viel des auch dichterisch bis
I auf den Aern Lchten verdanken wir dieser unbefangenen Lhr-
i lichkeit. Ls kommt bei Liliencron nicht vor, was bei fo vielen
! und Anerkannten fo häufig ist: daß wir ihr lebendiges lNenschen-
— 2SS —