Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1906)
DOI Artikel:
Lamprecht, Karl: Weimar und Jena
DOI Artikel:
Schönhuber, Franz Xaver: Der Musikunterricht in den Lehrerbildungsanstalten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0162

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Da sind die Eigenschaften, die den fürstlichen Mäcen der Dichtnng
vielleicht besser ansmachen als eine nnmittelbar schöpferische oder stark
reproduktive Begabung selbst.

Leipzig Karl L.'chmprecht

Der Musikunterricht in den LehrerbiLdungsanstaLten

Küfsners Notschrei über den Tiefstand des Musikunterrichts an
den Mittelschulen im allgemeinen (Kw. XIX, (5), möchte ich eine
Anklage gegen den Mnsikunterricht an den Lehrerseminarien im besondern
folgen lassen. Um's gleich zu sagen: hier ist die Not am größten.
An den eigentlichen Mittelschulen ist der Musikunterricht salkultativ.
Nnter günstigen hänslichen Verhältnissen kann daher ein Mittelschüler,
ohne den amtlichen Musikunterricht zu besuchen, eine gediegene musika-
lische Ausbildung erhalten. Anders bei den Präparanden und Semi--
naristen. Hier ist der Musikunterricht pflichtmäßig. Wie viel wird in
den Lehrerbildungsanstalten musiziert! Aber mit welch schlechtem Erfolg!
Ich habe es am eigenen Fleisch erlebt. Fünf Iahre lang erhielten wir
Nnterricht in Klavier, Orgel, Violine, Harmonielehre, Gesang, Lhoral
und alten Kirchentonarten; es machte wöchentlich zehn Srunden aus.
Als sogenannter guter Musiker durfte ich außerdem mit verschiedenen
anderen Viola nnd Lello erlernen, so daß ich, da die besseren Musiker
je einmal in der Woche an einer Orchesterstunde teilzunehmen hatten,
drei Iahre bis zu (6 Stunden Musikunterricht genoß. Ergebnis?
Nnter uns allen war nicht einer, der nicht in seines Herzens Innern
den „Gigerlmarsch" oder „Wien bleibt Wien" der Appassionata vor--
gezogen hätte! Eingestanden hätte das freilich keiner. Als ich zwei
Iahre nach meinem Absolutorium die „Walküre" hörte, langweilte ich mich
denn auch derart, daß ich nach dem zweiten Akt aus und davon ging.
Nnd nicht viel anders ging mir's beim Anhören der Symphoniekonzerte.
Nnr die Äberlegung, daß die Nrsache dieser für mich so betrüblichen
Erscheinung lediglich in mir selbst zn suchen sei, und der Vorsatz, mir
durch häufiges Anhören guter Musik dasVerständnis hiesür zu erzwingen,
retteten mich amtlich beglaubigten Musik-Einser vor vollkommener musi--
kalischer Versimpelung. Nnd doch habe ich in späteren Iahren (6- und
(7 jährige Iungen, denen verständige Eltern durch bewährte Leute oder
aus eigener Kraft den Sinn erschlossen hatten, durch unsre musikalischen
Meisterwerke in helle und, was die Hauptsache war, in ehrliche Begeisterung
geraten sehen. Aber was hörten wir Seminaristen von guter Musik?
Wenn nur die Etuden klappten — was gingen uns Beethovens Sonaten
an! Wenn wir nur die verminderte Quint und die übermäßige Sext
trafen! Was konnten uns Schuberts Lieder kümmern! Nur eine dunkle
Kunde pflanzte sich von Klasse zu Klasse fort, daß solche Werke da
wären. Irgend einer mußte davon während der Ferien von einem
kundigen Thebaner erfahren haben. Kannten sie doch die Lehrer selber
kaum. Nnd wenn sie's kannten — der Lehrplan schrieb die Vermitt--
lung dieser Kenntnisse nicht vor, also unterblieb sie. Nicht einmal die
Volkslieder lernten wir kennen. Ich habe in den fünf Iahren,
die ich das Seminar besuchte, nicht einmal ein Volkslied
gesungen. Aus dieser Vernachlässigung ergab sich für mich der

(. Novemberhest (H06 12s
 
Annotationen