Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1906)
DOI Artikel:
Naumann, Friedrich: Kunst und Industrie, [2]
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0170

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
exportieren kann, muß man Kunst bei sich selbst haben und besttzen.
Die Deutschen müssen lernen, in ihrer eignen Einrichtung sich künstlerisch
zu steigern, damit sie einesteils den Wert ihrer eignen Lebensführung
erhöhen und andernteils die Führer andrer Nationen gerade auf
diesem Gebiete werden können. Es scheint der dentschen Begabung
angemessen, das Hausgestühl und Hausgerät der Zukunst in würdiger
Weise zu gestalten. Wir sitzen gewerblich betrachtet in der Mitte
zwischen Konstantinopel und Amerika. In Konstantinopel ist die alte
individuelle Handwerkskunst seit mehr als tausend Iahren zu Hause.
In Amerika arbeitet sich die neue, rein maschinelle und technische
Kunst am schnellsten in die Höhe. In der Mitte von beiden Plätzen
kann Deutschland der Standort einer Knlturbereicherung werden, deren
noch etwas bunt gemischte Weissagungen rechts und links in den zahl--
losen Räumen dieser Ausstellung uns begrüßen.

Friedrich Naumann

Aus Wolfgang Kirchbachs Schrifteu

Vorbemerkung. Wolfgang Kirchbach, der an einem Herz-
leiden plötzlich gestorben ist, wird gewöhnlich unter den Wortführern des
jüngsten Deutschlands genannt, weil er zur Gründungszeit der „Gesellschaft"
in München Conrad nahe stand, aber seine eigentliche Begabung war,
wenn wir einmal mit Etikettworten sprechen wollen, viel eher romantisch--
phantastisch als naturalistisch. Sie war auch sicherlich größer, als daß
das Lob, das man mit jenem Namen aussprechen will, ihren Wert
erschöpfte, aber erst eine Sammlung von Kirchbachs Schriften könnte recht
erkennen lassen, wie viel von seinem hohen Wollen Gestalt ward. Kirch--
bach war ein an beweglichem Innenleben überaus reicher, vielleicht ein
allzu beweglicher Geist, und er war ein Geist, defsen Kräfte sich nicht nur
gegenseitig fördern, sondern von ihren besonderen Wegen gegenseitig auch
abdrängen und so behindern konnten. Er war mitunter ein Denker von
alluzviel Phantasie, er war mitunter ein Dichter von zu viel Be-
wußtheit und an entscheidenden Stellen doch von zu zurückhaltendem
Denken. An ästhetischem Feinsinn zumal beim literarischen Nrteil
ward er ganz sicher von keinem einzigen Mitstrebenden übertroffen,
aber seine Selbstkritik und das Erkennen von andern Fehlerquellen
war bei der eignen Arbeit schwach, weil ihm seine immer rege Phan-
tasie jede kleine Möglichkeit zur entscheidenden Tatsache vergrößerte,
wenn das seinen inneren Strebungen und seinen menschlichen Wünschen
entgegenkam. So hat er kaum einen Aufsatz geschrieben, der nicht un-
gewöhnlich interessante Gedanken, kaum eine Dichtung, die nicht wirklich
bedeutende Einzelheiten geboten hätte, aber auch kaum eine größere Arbeit,
bei der nicht überraschende Seltsamkeiten das aus den Tiefen geschöpfte
Eigengut vom Ziele abseits trugen. Sein Arbeitsgebiet war groß: er
hat, ungemein früh beginnend und meist in raschestem Schaffen Märchen
und Gedichte, Novellen und Romane, Lust- und Trauerspiele verfaßt,
zwei Bücher über Iesus und eine Menge von Aufsätzen aller Gattungen
vom Scherzartikel bis zum feinliterarischen Essay, die von der erstaun-
lichen Mannigfaltigkeit seiner Interessen wie seiner Gedanken zeugen.

l. Novemberheft jhOS
 
Annotationen