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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 4 (2. Novemberheft 1906)
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Bonus, Arthur: Traum und Kunst
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Muthesius, Hermann: Die Erziehung zur Architektur: Leitsätze aus einem Vortrage auf dem 7. Internationalen Architekten-Kongresse in London 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0246

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einem Künstler einfallen, bei dem Satze zu lachen, daß der Künstler
der Erzieher seines Volkes sein solle; höchstens wegen des „soll".
Lr soll es nämlich nicht sowohl sein: er ist es. Er ist es, weil er
in Freiheir in die innere Gestaliungssähigkeit des Menschen eingreist.

Er ist es allerdings am meisten, wenn er es am wenigsten
weiß oder will. Wie der Traum nicht weiß, wie stark er am Menschen
arbeitet, so auch der Künstler nicht. Aber wie der wache Mensch
zwischen seinen Träumen sichtet, die einen läßt er versinken, den
anderen hängt er nach, ruht in ihnen, sinnt über ihnen und tut das
je nachdem er sie für bedeutungsvoll hält, so wird der wache Mensch
mit den Kunstwerken verfahren. Der Künstler schafft sie in einer
Art Traumzustand, aber der wache Mensch Pchtet zwischen den
Träumen des Künstlers, und er hebt die hervor, die er an sich und
anderen arbeiten lassen möchte. Hierin wird er sich durch keine Kunst--
theorie stören lassen.

Florenz Arthur Bonus

Die Erziehung zur Architektur

Leitsätze aus einem Vortrage auf dem 7. Internationalen Architekten-Kongresse

in London l906

Es steht fest, daß die Architektur die unpopulärste unter den Künsten
ist. Das tritt besonders dann hervor, wenn man sich das ungeheure
Interesse vergegenwärtigt, das das Publikum den Werken der Malerei
entgegenbringt.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine bloße sogenannte Lrziehung
des Publikums zur Architektur, wie sie heute im allgemeinen gehand-
habt wird, Abhilfe schassen wird. Vielmehr ist der Tiefstand des Ver-
ständnisses für Architektur als ein Symptom dafür aufzufassen, daß
die heutige Architektur selbst an öffentlicher Bedeutung zurückgetreten ist.

Das wird augenscheinlich, wenn man die großen Glanzzeiten
der Architektur, die griechische, römische» gotische, zum Vergleich heran-
zieht, in welchen die Architektur unzweifelhaft an der Spitze der Künste
marschierte. Sie tat dies, weil sie die Aniversalgestalterin der bau-
lichen und bildnerischen Ideen der Zeit war.

In der heutigen Welt spielen die Probleme des Ingenieurs,
der Ausbau der Verkehrsmittel, die Ausbildung der Maschinen und
arbeitsersparenden Werkzeuge eine größere Rolle als die eigentlichen
Werke des Architekten, von denen nur der Städtebau in die großen
Probleme unserer Zeit hereinragt.

Von dem Wirken des Ingenieurs, der frei, vorwärtsblickend
und von Nebenrücksichten unbeeinflußt die Aufgaben der Zeit zu lösen
sucht, unterscheidet sich das Wirken des Architekten unvorteilhaft dadurch,
daß er rückwärts blickt und seine Werke mit Vorliebe in die Außerungs-
formen vergangener Zeiten kleidet, wodurch sie von selbst etwas Gegen-
wartsfeindliches annehmen. Die Geschichte der Architektur des 19- Iahr-
hunderts zeigt, wie die Architektur von einer archäologischen Richtung
in die andre geworfen wurde und dadurch fast den Charakter einer
oberflächlichen Verkleidungskunst annahm.

Auch die heutige Architekturausübung ist zum Teil noch in

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