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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 7 (1. Januarheft 1907)
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Vogel, Alfred: Interpretationskunst: Bemerkungen gelegentlich Kleists
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Brandes, Friedrich: Moloch
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0478

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Stoff sein kann. Melleicht ift er selbst nur Stoff für etwas Höheres."
„Der Gedanke tritt zwischen den Menschen und das Leben; er ver-
brennt die Früchte, die es bietet," schreibt Hebbel. Gegen ein Werk-
zeug, das man benötigte, das fich aber selbständig machen will, das
gefährlich zu werden droht, gegen ein Organ, das sich auf Koften der
übrigen auswachfen möchte und Besseres zu überwuchern strebt, wird
man leicht mit der Erkenntnis dieser Gesahr ungerecht.

Aber hat Kleists Kunst am Grübeln und Denken gelitten? Sind
Penthesilea, das Käthchen von Heilbronn, der Prinz von Homburg
„gedacht"? Oder sind sie aus der Fülle lebendiger Empfindung her-
aus gestaltet? — Keinem Dichter haben vielleicht die Verhältnisse
die Gesahr des Rationalismus so nahe gebracht wie Kleist, und keiner
hat eigentlich so deutlich gezeigt, wie eine krästige Persönlichkeit alles
Denken — mag sie sich ihm noch so begeistert hingegeben haben —
nur ehrlich zu Ende zu denken braucht, um die intuitive Gewißheit
und Ilnmittelbarkeit des Lebens wieder zu sinden, um vom „Denken"
zum „Schauen" zu kommen.

Die Meinung, daß Kleists Lebensführung und der Geist seiner
Werke das unersreuliche Bild eines haltlosen Charakters gäben, ist
auss innigste verflochten mit der Ansicht, daß Kleist den Romantikern
zugerechnet werden müßte. Gegen diese Anschauung wendet sich Ernst
Kayka in seinem Buche „Kleist und die Romantik" (Band XXXI
der von Muncker herausgegebenen „Forschungen zur neueren Lite-
raturgeschichte". Berlin, Duncker). Meiner Meinung nach mit vollem
Recht. Das neuerwachte Interesse für Kleist wie für die Romantik
konnte Kleist nur zugute kommen. Denn beim schärferen Lrfassen
seiner Persönlichkeit einerseits wie der romantischen Typen ander-
seits mußte sich die reinliche Scheidung dieser ineinander zum Trüben
verschwommenen Bilder immer mehr vollziehen. Alfred Vogel

Moloch

„Doch eigentlich waren diese (germanischen)
Völker keine Varbaren, da sie frei waren; Barbaren
sind sie erst später geworden, als sie, der absoluten
Macht unterworfen, der Freiheit verlustig gingen."

Montesquieu

„Ans auf der Höhe unserer barbarischen Vor-
teile mit Mut zu erhalten, ist unsere Pflicht."

Goethe

Frei nach Friedrich Hebbels Fragment hat Emil Ger-
häuser, der bekannte Wagner-Sänger, die musikalische Tragödie
„Moloch" gedichtet. Wir werden sehen, daß nach seiner inneren Be-
schassenheit diese Dichtung der Musik nicht entraten konnte und ferner:
daß nach seiner musikalischen Vergangenheit Max Schillings als der
dasür berufene Komponist zu bezeichnen ist. Vorher einige Worte
über Hebbels Plan und Idee.

Hebbel ist der Dichter der großen Probleme, der innerlichsten
Menschheitsgedanken. Ihm verdanken wir die Wegfegung des Anek-

! y Ianuarheft (907 Z89 I
 
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