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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

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Heft 8
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0563

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AUge-

meineres

Und über und nber mit Knospen bedeckt,

Mit morgenroten Knospen bedeckti

Rnd als mir der Bursche im Straßendrang
War wie ein Schemen ferne verschwunden,
Sieghaft sein Sang noch herüöer sich schwang
Amd hat mich und mein Herz gefunden:
Sieghaft durch wachsende Wolkenschlacht,
Dunstgeschleier und Dämmernacht,

Zwischen Frostwind und Wirbelschnee,
Menschengewühl und Menschenweh.

A K T Tielo

IMj Anklare Schlagworte 3

„R e k l a m e"

Der Wahlkampf tobt, die Par-
teien schießen von rechts und links.
Iede läßt Zeitungsartikel schreiben,
was die Federn hergeben, Wahl-
aufruse verbreiten, so viel Beine
laufen wollen, Reden halten, so
viel Versammlungen nach dem
Schluß-Hoch drängen. Darin ist's
hüben wie drüben genau dieselbe
Sache. Aber genannt wird diese
Sache hüben wie drüben verschieden.
Beim Freunde heißt sie nämlich
„Propaganda", beim Gegner „Re-
klame".

Es ist etwas Praktisches um ent-
wertende Worte. Sagst du von einer
Partei, sie treibe Propaganda für
sich, so sagst du damit nur: sie tut,
was eine ihrer Pflichten ist: sie
wirkt für die Ausbreitung und den
Einfluß der Sache, der sie dient.
Aber am politischen Gegner darf
man bekanntlich zu Friedenszeiten
höchstens zwei gute Haare lassen,
und zu Wahlkampfzeiten gar keins.
Also ein entwertendes Wort her,
wenn man von seiner Arbeit spricht?
Er macht nicht „Propaganda", er
macht „Reklame". Nachdenken tut
man ja nicht, wenn die großen
Reden sausen, und so merkt es
halt in der Hitze keiner, daß man

damit ohne jeglichen Sinn ein Ge-
fühl von Verächtlichem einschmug-
gelt. Ein Wort mit fatalem Bei-
geschmack stellt sich überall ein, wo
einem einmal etwas nicht gefällt.
Der oder jener kann seine Ansicht
über irgend etwas nicht besser er-
läutern, als an dem, was er am
genauesten kennt, also an seinen
eignen Arbeiten — aber du liebst
ihn nicht, deshalb sagst du: er macht
für sich Reklame, und wenn er
tausendmal nur rein sachlich spricht.
Der Bund „Heimatschutz" gibt
Werbekarten heraus mit dem Bilde
der Laufenburger Schnellen. Es
ist seine Pflicht, für sich, d. h. für
die Verbreitung seiner Ideen zu
werben, wer sich aber über den
Kamps gegen die Laufenburger
Wasserwerke ärgert, der redet hier
sicher nicht von Propaganda-, der
redet von Reklamekarten. And noch
mehr: diese Rederei hat zur Folge
gehabt, daß vielen schon jede Pro-
paganda an sich unangenehm ist,
die in irgendwie ungewohnten For-
men austritt und sich etwa mit
Schönem und Edlem verbindet. Das
verdirbt ihnen dann den Genuß an
eben diesem Schönen und Edlen,
weil sie's mit etwas verquickt füh-
len, das ihnen als niedrig er-
scheint, obgleich es gar nicht

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Kunst'wKrt XX, 8
 
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