Wie aus dem Nebelkleide
der Mond sich glänzend ringt,
so aus dem Erdenleide
aufwärts das Herz sich schwingt.
O Heide, stille Heide,
wie sehnet sich hinaus
zu dir das Herz im Leide,
gefangen Herz im Haus!
Raabe
Abendgebet
Wollest meine Seele stillen,
König, der in Sonnen geht,
wollest meine Sehnsucht füllen,
die am Wege weinend steht.
Wollest all die irren kranken
Wünsche von der Seele tun;
all die slehenden Gedanken
laß wie müde Kindlein ruhn.
Wollest mir im Traume sagen,
daß du der Gerechte bist,
daß der Zweifel wühlend Fragen
morgen Lriumphieren ist.
Wollest löschen all mein Grämen,
das mir tausend Netze spinnt,
wollest wieder zu dir nehmen,
Bater, ein verlornes Kind.
Schüler
Auf wen hören?
Mein Fenster geht auf einen
großen Platz; auf der Seite mir
gegenüber wird ein neues Theater
gebaut. Den ganzen Lag stehen
Leute auf dem Platze und sehen
dem bald vollendeten Baue zu.
Oft höre ich Gespräche von unten
herauf.
„Fouragekasten! Riesenscheune!"
rief jemand vorhin, und als ihm
sein Begleiter etwas antwortete,
was ich nicht verstand, stieß er noch
ärgerlicher heraus: „Ach was!
Biedermeier! Dreckstil!"
Gleich nachher treten zwei andere
unter mein Fenster. „Hier sehen
Sie es am besten! Nicht wahr?
Es ist Größe in dieser Linfachheit,
und es gehört Mut zu solcher
Schlichtheit! Alle Achtung! Gar
kein Firlefanzk Nnd weder alte
Mode, noch neue Mode!"
So klingen die Urteile nun schon
seit Wochen herauf. „Man glaubt
manchmal, man höre den Sand
2. Märzheft OO?
72S
AUge-
meineres
der Mond sich glänzend ringt,
so aus dem Erdenleide
aufwärts das Herz sich schwingt.
O Heide, stille Heide,
wie sehnet sich hinaus
zu dir das Herz im Leide,
gefangen Herz im Haus!
Raabe
Abendgebet
Wollest meine Seele stillen,
König, der in Sonnen geht,
wollest meine Sehnsucht füllen,
die am Wege weinend steht.
Wollest all die irren kranken
Wünsche von der Seele tun;
all die slehenden Gedanken
laß wie müde Kindlein ruhn.
Wollest mir im Traume sagen,
daß du der Gerechte bist,
daß der Zweifel wühlend Fragen
morgen Lriumphieren ist.
Wollest löschen all mein Grämen,
das mir tausend Netze spinnt,
wollest wieder zu dir nehmen,
Bater, ein verlornes Kind.
Schüler
Auf wen hören?
Mein Fenster geht auf einen
großen Platz; auf der Seite mir
gegenüber wird ein neues Theater
gebaut. Den ganzen Lag stehen
Leute auf dem Platze und sehen
dem bald vollendeten Baue zu.
Oft höre ich Gespräche von unten
herauf.
„Fouragekasten! Riesenscheune!"
rief jemand vorhin, und als ihm
sein Begleiter etwas antwortete,
was ich nicht verstand, stieß er noch
ärgerlicher heraus: „Ach was!
Biedermeier! Dreckstil!"
Gleich nachher treten zwei andere
unter mein Fenster. „Hier sehen
Sie es am besten! Nicht wahr?
Es ist Größe in dieser Linfachheit,
und es gehört Mut zu solcher
Schlichtheit! Alle Achtung! Gar
kein Firlefanzk Nnd weder alte
Mode, noch neue Mode!"
So klingen die Urteile nun schon
seit Wochen herauf. „Man glaubt
manchmal, man höre den Sand
2. Märzheft OO?
72S
AUge-
meineres