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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,2.1908

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Heft 12 (2. Märzheft 1908)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7705#0452
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„Das braucht ihr nicht; ich habe mein Denkmal in meinen hundert
Bänden gesammelter Schriften. Und wie der alte Esel aussah, das geht
die Welt nichts an; daran ist nichts zu sehen! - Meine Schwächen kennen
wir- ich habe gelogen, ich habe gestohlen, ich bin undankbar gewesen;
etwas Lümmel, etwas Rindvieh! Das ist mein Dreck! Den will ich
Iesuiten Spiehbürgern, Wortklaubern, Anekdotensammlern vermachen.
Aber de'n Geist Gott. der ihn gegeben hat. Und den Menschen.- einen
guten Willen, ihren Monsieur Voltaire zu verstehen.

Er erhob sich, denn die Sonne war untergegangen.

„Gute Nacht, Montblanc. du hast einen weißen Kopf wie ich, und
stehst mit den Füßen in kaltem Wasser wie ich! - Ietzt gehe ich und
lege mich nieder! Morgen reise ich nach Paris. wo rch sterben will.«

Rundschau

Diesseits-Neligion?

Charles Ferguson, „Diesseits-
Religion" und „Lebensbejahung".

(Beide bei Diederichs in Iena)

>^wci amerikanische Bücher über die
Oletzten Fragen dcs Lebens. Beide
haben in Amerika scincrzeit sehr
großes Aufsehen gemacht. Vicllcicht,
weil sie das Programm und Pro-
blem des jungen Amcrika religiös
zu vertiefen scheinen. In der Be-
ziehung enthalten sie recht große
Worte. Dennoch sind sie auch für
uns sehr lesenswert. Für diejenigen
unter uns, die sich in den Gedanken-
kreisen Carlhles und Emersons wohl
fühlen. Denn von denen — also
mittelbar auch von der deutschen
Kulturentwicklung gehen sie überall
aus.

Das erste der beiden Bücher
heißt eigentlich „Die Neligion der
Demokratie". Schon ein solcher
Litel zeigt, daß der deutsche Leser
darauf gefaßt sein muß, manches
ihm Befremdliche zu hören. Denn
ob wir persönlich Demokraten oder
Aristokraten sind, so sind das doch
bei uns Parteibezeichnungen, und
wir lieben die Vermischung von
politischen und religiösen 'Äberzeu-
gungen nicht. Höchstens könnte
man sagen, daß bei uns die Reli-
gion so sehr von den aristokratischen

Parteien vor dcn Wagen gespannt
wird, daß es von da aus im reli-
giösen Sinne erwünscht erscheinen
könnte, auch cinmal den umgekehrten
Fehler gemacht zu sehen.

Indcssen davon abgcsehen: man
kann den Begriff der Aristokratie
so fassen, daß jeder Sozialdemokrat,
dcr nicht an den Worten hängt, ihn
annehmen kann, — etwa so wie
Ibsen seinen „Volksfeind" von
„Adelsmenschen" sprechen läßt, die
er erziehen will. Ferguson nun
vcrtieft umgekehrt den Begriff der
Demokratie, der ja in Amerika etwas
anderes bedeutet als bei uns, bis
dahin, wo alle Edelsten sich in ihm
treffen können: „Wenn du den un-
bedeutendsten Menschen verachtest,
so verachtest du alles Menschliche
und Göttliche und hängst dein Herz
an das Vergängliche und Wertlose."

Ferguson geht von der Anschau-
ung aus, daß Neligion das Gefühl
für das Wirkliche sei. Dieser Ge»
danke will für ihn nicht ein geist-
reiches Aperhü sein, sondern ein
wirkungskräftiges Programm; des-
halb tritt er kritisch auf, scheidend
zwischen Brauch- und Unbrauch-
barem. Ist Neligion Sinn für das
Wirkliche, so wird sie wie bisher
mit den Persönlichkeiten, mit den
„Seelen", zn tun haben, aber sie

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