Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1909)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0077
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schicksal, jedem Verlust neues froh-
mütiges, folgerichtiges Handeln ent-
gegenzustellen. Seine Kraft zu
überwinden, zu vergessen, sich zu
crneuern teilt sich nicht nur in
Schriften uns mit, sondern sie wirkt
aus allem was uns Kunde von
diesem Leben gibt. Und kein
Scheltwort, das von Briefen und
biographischen Bemühungcn weg
auf die Dichtungen hinweist, wird

dies Verhältnis umzukehren und
Leben, Natur und Entwicklung
Goethes zu Mitteln, seine Werke
zu verstehen, herabzudrücken im-
stande sein. Denn was der Mensch
in der Arbeit seines Lebens schließ-
lich gewollt hat, das ist es auch,
was, wann sein Tag vorüberge-
gangen ist, uns zu sich hinzieht
und unsern Blick lehtlich festhält.

Wilhelm Dilthey

Ansre Bilder und Noten

W

inter!

! Wer München in etwas weiteren Ringen kennt, als den nächsten
ums Hofbräu und um den Glaspalast herum, der ist bei scinen
Vorstadt-Schlenderungen durch die Au oder durch Giesing auch schon
dorthin gekommen, wo man sich beim ersten Besuche fragt: träumst oder
wachst du? Hier geht es einem mit München wie es dem Manne bei
Andersens Galoschen des Glücks mit Kopenhagen geht. Nur, daß es
selbst vor zwei Iahrhuuderten im innern München kaum so kraus
und wirr, klein und verwinkelt, querköpfig und bunt, kaum so märchenstück-
theaterromantisch ausgesehen haben wird, wie in diesem hingewürfelten
Spiel Häuserbunt, das infolge besonderer Stiftungsverhältnisse sich zwischen
geraden Zeilen hoher Mietkasernen erhalten und bis vor kurzem auch
fortgepflanzt hat. Lharles Vetter, den unsre Lcser schon von einem
höchst neuzeitlichen Thema, vsn einer eindrucksvollen Bahnhofsschilderung
her kennen (Kw. XVIII, 2), ist den malerischen Neizen solch eines Fleck-
chens (in der Quellengasse) nachgegangen. Architektonisch ist es .noch
lange nicht das wunderlichste in diesen seltsamen „Großstadt"-Winkeln.
Der Schnee tut das Seinige, um all die Farben besonders fein zusammen-
zuhalten. Mit außerordentlicher Sicherheit sind die paar Staffagefigür-
chen eingesetzt, daß alles als ein friedliches Stückchen anno dazumal im
Heute steht.

Unsre Neproduktion hat vielleicht eine kleine Vcdeutung in der Ge-
schichte der Reproduktionstechnik. Sie ist gleich nach dcr Erfindung des
Lumiereverfahrens nach einer Lumiereplatte gemacht worden, um zu sehen,
ob solche auch für Farbendrucke zu brauchen seien. Wie der Erfolg
beweist, tun sie das.

Der Zweifarbendruck nach Teutwart Schmitson zeigt uns
diesen Vorläufer der Freilichtmalerei, der besouders durch die Iahrhundert-
ausstellung lange nach seinem Tode zu hohen Ehren gekommen ist, bei
seinem mit Recht berühmtesten Werke. Auch auf unsrcr Reproduktion

62

Kunstwart XXII, 7
 
Annotationen