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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 8 (2. Januarheft 1909)
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Avenarius, Ferdinand: Groß-Berlin: auch eine nationale Frage
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Gregori, Ferdinand: Die Schauspielerei als Beruf
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0089
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wird, daß in letzter Stunde die Hilfe der Gesetzgebuug erzwungen
wird! Groß-Berlin ist wahrlich nicht nur eine Angelegenheit derer,
die zurzeit in ihm wohnen oder dereinst wohnen werden. Es
geht vielmehr darum, ob die Hauptstadt des Reiches für alle Zukunft
hilflos der Einmauerung ausgeliefert werden soll. Die Hauptstadt
des Reiches, die jedem deutschen Bürger als sein persönliches Ligen-
tum ans Herz gewachsen sein müßte, für die jeder von uns vor dem
In° und Auslande sich mitverantwortlich fühlen sollte. Lassen wir alle
früher gemachten Fehler auf sich beruhen und verhindern wir dafür
neue, die noch verhindert werden können! Daß die Riesenstadt zwischen
Spree und Havel nicht die letzte und am meisten verunglückte unter
den Weltstädten genannt werden muß, dafür zu sorgen ist nachgerade
nationale Ehrensache geworden. And ich wüßte nicht, wen sie näher
anginge als uns um den Kunstwart. Wie der Adel, so verpflichtet
auch das Wollen, das allein den Adel erlangen hilft.

Richard Nordhausen
Praktisch wichKg erscheint auch uns zunächst, daß die Regierung
mit der Genehmigung aller Bebauungspläne, für die nicht ein un-
abweisliches Bedürfnis nachgewiesen werden kann, vorerst zurückhält.
Denn es ist klar, daß die Eigentümer des noch freien Bodens inner-
halb Groß-Berlins alles daransetzen werden, um ihr Bauland so
schnell wie möglich wenigstens auf dem Papier zu „erschließen", bevor
durch die Ergebnisse des Wettbewerbs der kapitalistischen privaten
Spekulation Grenzen gezogen werden. Deshalb hat der Dürerbund
sich mit einer Eingabe an die preußische Provinzialregierung zu
Potsdam gewandt. Hoffen wir, daß die Behörde sich den zwingenden
Gründen der Petition nicht verschließen werde — beruhigen wir uns
aber bei diesem Hoffen nicht. A

Die Schauspielerei als Berus

meisten Menschen, die einen Beruf haben, sehnen sich nach
>-H^einem anderen; nur wenige ganz glückliche oder einsichtsvolle
schwanken nicht auf der Lebensschaukel. Und da die Berufung
vielfach von den Eltern, Verwandten und Bekannten ausgeübt wird,
der also Berufene auch zu jung und zu unentwickelt ist, um durch
eine meisterliche Tat seinen Weg für alle Welt sichtbar selbst zu be-
stimmen, so glaubt er später Grund genug zu haben, die Tyrannei seiner
Rmgebung und seine eigene Anerfahrenheit eines Verbrechens wider
den Geist zu bezichtigen. Er macht mit Vorliebe die Außenwelt, manch-
mal unter hochtönenden Allegorien wie „Schicksal" und „Unglück", für
mißlungene Projekte verantwortlich, die sehr oft nur sein eigenes Un-
geschick zum Scheitern gebracht hat. Ilnd dies Angeschick ist eine weit
verbreitete, tief verwurzelte Eigenschaft; sie steht auch fast immer über
den Berufen, oder von anderem Standpunkte: sie würde ihren Eigen-
tümer durch alle Berufe begleiten, er möchte sonstwelchen wählen.
Ist dagegen der junge Mensch mit irgendeiner Geschicklichkeit begabt,
so wird er entweder bald wissen und zeigen, wohin er am besten
taugt, oder er wird sich in jedem Berufe zurechtfinden, in den
seine häuslichen Verhältnisse ihn treiben. Denn die Berufe unter-

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