wicklung der italienischen Kunst be-
deutend, nicht wcil sie Gönner der
Künstler waren, sondern, weil sie
so furchtbar vergnügungssüchtig
waren und dabei doch die über»
starke Leidenschaft für Größe aller
Art in sich hattcn. Kurz, wcil sie
nicht selbstlose Kunstschwärmer, son-
dcru weil sie Kunstegoistcn waren.
Aber wichtiger für jene Kunst-
blütc als die Medici war der
Bildcrstürmer Savonarola.
Man muß diesc drohenden Augcn
gesehen haben, die Fra Bartolommco
gemalt, diesen wütend ausholenden
Mund, dcn Lionardo gezeichnet
hat. Man vergißt sie nicht! Von
diescm Manne haben sich die zeit-
gcnössischen Küustler erschüttern
lassen. Man bcgreife, was das
bedcutct!
Von Luthcr ist allerdings bekannt
gcnug, daß er ein Kunstfrcund
war. Man übcrtrcibt die Ein-
wirkung dieser Seite seiner Pcr-
sönlichkeit auf die Zeitgenossen.
Was die Künstler seiner Zeit so
tief crregt hat, war nicht der Bil-
derfreund und Lautenschläger, son-
dern der Draufgänger, die „Bestie
mit dcn tiefliegenden Augen".
Goethe hat in Wahrheit und
Dichtuug eine klassische Schilderung
des Einflusses Friedrichs des Großen
anf die deutsche Literatur gegeben.
Aber Friedrich der Große hatte
nur Hohn und Spott für die Kunst-
richtung übrig — die er anregte.
Er hielt das neugefundene Nibe-
luugenlied für eiue wüste Sache,
und liebte die glatte Kunst Vol-
taires, dcsselbcn Voltaire, gcgen
dcssen Einfluß Lessing seine Be-
freiungskämpfe führte.
Auch die Kunstpflege, dic heute
vom Throne Friedrichs des Großen
aus gctriebcn wird, könnte der
Kunst, die durch sie bekämpft wird,
schr uützeu. Es fchlt nur leidcr
so Kraft als Tat. Bonus
2. Aprilhcft lyoy
Zugendläufe im Noman
Ottomar Enking, „Wie Truges seine
Mutter suchte" (Berlin, Schuster L
Loeffler) — Alfred Streit, „Von der
Wiege bis zum Frack" (Berlin, Con-
cordia (Ehbock)) — Ludwig Finckh,
„Rapunzel" (Stuttgart, Deutsche Ver-
lagsanstalt) — Ernst von Wolzogen,
„Die Großherzogin o. D." (Berlin,
F. Fontane L Co.) — Hermann Bahr,
„Die Rahl" (Berlin, S. Fischer)
^7ȟnf sehr verschieden geartete
O Bücher, die aber darin überein-
stimmen, daß sie alle den Lauf eines
Iugendlebens darstellen. Ihredlnter-
schiedlichkeit in der Behandlung
desselben Vorwurfs hebt jeden ein-
zelnen der fünf Dichtersleute be-
quemlich kennzeichnend vom an-
dern ab.
Der nord-, der wasserkantdeutsche
Ottomar Enking, der einst in
seiner mit Recht geschätzten „Fami-
lie P. C. Behm" ein innig ge-
fühltes und zugleich größtenteils
überlegen gesehenes Bild spießer-
lichen Beisammenlebens gab, hat
den neuen Roman „Wie Truges
seine Mutter suchte" der Iu-
gendentwicklung eines einzelnen ge-
widmet. Dabei tritt jedoch seine
Neigung und Fähigkeit zur um°
wcltschildernden Kleinmalerei wieder
deutlich hervor.
Truges (der Name stammt von
cincm sagenhaften Königssohn des
Nordens) ist dcr Sprößling eines
Kunsthandwerkers, der noch vor
dcs Kindes Geburt einem Lungen-
leiden erliegt, und einer Brettl-
tänzerin, die gleich darnach allein
in die Weite geht, mit der Be-
gründung, ihre Umgebung habe
sie durch den Verdacht der Un-
treue zu arg gekränkt. Elternlos,
in der Obhut mildgesinnter Frem-
der und seines Großvaters, eines
redlichen Schuhmachers, wächst
Truges heran. Mit außerordent-
licher Liebe wird die Kinderzeit
99
Literatur
deutend, nicht wcil sie Gönner der
Künstler waren, sondern, weil sie
so furchtbar vergnügungssüchtig
waren und dabei doch die über»
starke Leidenschaft für Größe aller
Art in sich hattcn. Kurz, wcil sie
nicht selbstlose Kunstschwärmer, son-
dcru weil sie Kunstegoistcn waren.
Aber wichtiger für jene Kunst-
blütc als die Medici war der
Bildcrstürmer Savonarola.
Man muß diesc drohenden Augcn
gesehen haben, die Fra Bartolommco
gemalt, diesen wütend ausholenden
Mund, dcn Lionardo gezeichnet
hat. Man vergißt sie nicht! Von
diescm Manne haben sich die zeit-
gcnössischen Küustler erschüttern
lassen. Man bcgreife, was das
bedcutct!
Von Luthcr ist allerdings bekannt
gcnug, daß er ein Kunstfrcund
war. Man übcrtrcibt die Ein-
wirkung dieser Seite seiner Pcr-
sönlichkeit auf die Zeitgenossen.
Was die Künstler seiner Zeit so
tief crregt hat, war nicht der Bil-
derfreund und Lautenschläger, son-
dern der Draufgänger, die „Bestie
mit dcn tiefliegenden Augen".
Goethe hat in Wahrheit und
Dichtuug eine klassische Schilderung
des Einflusses Friedrichs des Großen
anf die deutsche Literatur gegeben.
Aber Friedrich der Große hatte
nur Hohn und Spott für die Kunst-
richtung übrig — die er anregte.
Er hielt das neugefundene Nibe-
luugenlied für eiue wüste Sache,
und liebte die glatte Kunst Vol-
taires, dcsselbcn Voltaire, gcgen
dcssen Einfluß Lessing seine Be-
freiungskämpfe führte.
Auch die Kunstpflege, dic heute
vom Throne Friedrichs des Großen
aus gctriebcn wird, könnte der
Kunst, die durch sie bekämpft wird,
schr uützeu. Es fchlt nur leidcr
so Kraft als Tat. Bonus
2. Aprilhcft lyoy
Zugendläufe im Noman
Ottomar Enking, „Wie Truges seine
Mutter suchte" (Berlin, Schuster L
Loeffler) — Alfred Streit, „Von der
Wiege bis zum Frack" (Berlin, Con-
cordia (Ehbock)) — Ludwig Finckh,
„Rapunzel" (Stuttgart, Deutsche Ver-
lagsanstalt) — Ernst von Wolzogen,
„Die Großherzogin o. D." (Berlin,
F. Fontane L Co.) — Hermann Bahr,
„Die Rahl" (Berlin, S. Fischer)
^7ȟnf sehr verschieden geartete
O Bücher, die aber darin überein-
stimmen, daß sie alle den Lauf eines
Iugendlebens darstellen. Ihredlnter-
schiedlichkeit in der Behandlung
desselben Vorwurfs hebt jeden ein-
zelnen der fünf Dichtersleute be-
quemlich kennzeichnend vom an-
dern ab.
Der nord-, der wasserkantdeutsche
Ottomar Enking, der einst in
seiner mit Recht geschätzten „Fami-
lie P. C. Behm" ein innig ge-
fühltes und zugleich größtenteils
überlegen gesehenes Bild spießer-
lichen Beisammenlebens gab, hat
den neuen Roman „Wie Truges
seine Mutter suchte" der Iu-
gendentwicklung eines einzelnen ge-
widmet. Dabei tritt jedoch seine
Neigung und Fähigkeit zur um°
wcltschildernden Kleinmalerei wieder
deutlich hervor.
Truges (der Name stammt von
cincm sagenhaften Königssohn des
Nordens) ist dcr Sprößling eines
Kunsthandwerkers, der noch vor
dcs Kindes Geburt einem Lungen-
leiden erliegt, und einer Brettl-
tänzerin, die gleich darnach allein
in die Weite geht, mit der Be-
gründung, ihre Umgebung habe
sie durch den Verdacht der Un-
treue zu arg gekränkt. Elternlos,
in der Obhut mildgesinnter Frem-
der und seines Großvaters, eines
redlichen Schuhmachers, wächst
Truges heran. Mit außerordent-
licher Liebe wird die Kinderzeit
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