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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 16 (2. Maiheft 1909)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0312
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wohl als allgemeine Regel anneh-
men, daß sie heilsame Wirkungen
äußert, so lange sie selbst und die
darauf verwandte Energie vorzüg-
lich die Scele füllt, minder wohl-
tätige, oft nachteilige hiugcgen,
wenu man mehr auf das Resultat
sieht, zu dem sie führt, uud sie
selbst nur als Mittel betrachtct.

Denn alles, wäs in sich selbst
reizend ist, erweckt Achtung und
Licbe, was nur als Mittcl Nutzen
vcrspricht, bloß Interessc; und nun
wird der Mensch durch Achtung
und Licbe ebenso sehr geadclt, als
er durch Interesse in Gefahr ist,
entehrt zn werden.

Wilhelm von Humboldt

Unsre Bilder und Noten

Kunstkritiker von heutzutag, der» Bilder wie das Lrwin
(-M^Braunes vor unserm Heft als „nichts Besondres" bezeichnet, hat
von seincm Standpunkte aus vielleicht recht. So viel malerisches
Können, wie sich hier zeigt, haben manche; als Kunstwerk im engeren Sinne
ist in der Tat solch ein Bild „nichts Besondres". Aber im großen Kultur-
haushalt hat nicht nur das Besondre Wert, sondern auch das gute
Tüchtige. Wir sollten uns, meine ich, hüten, Malerei dieser Art gering-
zuschätzcn. Zunächst: wir sollten sie nicht etwa mit den beliebtcn Mode-
bildern auf eine Stufe stellcn, die in „weitherzigen" Ausstellungen Piepcn-
brinks entzückcn und den Kunstfreund ärgern, denn von denen unter-
scheidct sie etwas ganz Wesentliches: es fehlt ihnen das fürs Publikum
Zurcchtgemachte. Hier ist nicht die Spur von Koketterie mit dcm Be-
schauer, von Gcfallenwollen, von Gcfälligmachen, hier ist wcder ein
Kandieren mit Zucker noch ein Senfen mit Pikanterie: hier ist ein durch-
aus chrliches, rein der Freudc an der Sache entwachscnes Wiedergeben
eines Stückes Landschaft, das Herz und Auge erfreut hat. Wer es
nun so malt, erwirbt dadurch kein Anrccht auf dcn vielzitierten „Platz
in dcr Kunstgeschichte", aber das auf den Dank natürlicher gesunder
Menschcn, dic für die feinstcn spczifischen Augcngenüsse nun einmal
keincn Sinn haben und nicht Narren genug sind, ihn zu heucheln.
Von solch einem fcinen, licbenswürdigcn, aus echtcr Freude an der Welt
anspruchslos und hcrzlich gegcbcncn Bilde haben sie sozusagen Vrot,
während sie von ihrem Geschwärm für viellcicht wirklich viel stärkere
„üualitätcn" irgendcincs Hochgcpricscnen nur vorgemachten Schaum haben.
Denn um die Nüsse zu knacken, die ihnen dort gebotcn wcrdcn, sind nun
einmal ihre Zähne nicht stark genug.

Am Hans Thoma geht der rezensicrende Snob, der sich für den
eigcntlich modcrnen Kunstkritikcr hält, heute in seiner Mehrzahl noch
vorsichtig hcrum, gcwarnt wohl von eincm dunkeln Gcfühl, man könne
mit der cwig wiedcrkchrendcn Aufforderung zum Gebct vor Fraukreichs
Göttern vor dieser Kost nichts anfangen. Bei den großen Thoma-Aus-
einandcrsctzungen zu dcs Meisters Ehrcntag wcrden wir schon erleben,
daß auch ihn eine ganze Anzahl von Leuten fälschlich totsagt — was
bekanntlich cin langcs Leben bcdeutct. Ein Wcrkchcn wie unser Früh-
lingsbild erhebt auch ganz nud gar keincn Anspruch, die Grenzen der
Malerci nach irgendeiner Scite hin zu crwcitcrn. Es ist auch nicht
in dcm Sinnc poctisch, daß es irgcndwie shmbolisch wäre. Noch kanu
ciner sagen, dicse Kinder hicr scien als junge Menschcn „schön". Ieder

2. Maiheft GB

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