Geisteskrankheit ins Treffen zu
schicken, wo Gedanken fragen und
auf Antwort warten. And wenn
man für derartiges Abtun „vom
Standpunkte dcs modernen Rechts"
uns Standesgenossen zu Mitschul-
digen machen will, so müssen aus
unsern Reihen Männer aufstehen
nnd sagen: das geht nicht.
Ich habe erwartet, daß sie auf-
treten würden, habe gewartet, bis
es so spät gtzworden ist. Es ist
keiner gekommen. So möchte ich
noch jetzt reden, damit es nicht
scheint, Nietzsches Wort spreche
Wahrheit: daß Deutschland Euro-
Pas Flachland sei. Mit Armeen,
Kriegs- und Luftschiffen und mit
nenen Stenergesetzen schützen wir
uns nicht gegen den geistigen Ban-
kerott, wenn, ganz gleichgültig, wo
Recht oder Ilnrecht, Wahrheit oder
Irrtum liegt, diese Methode der
Polemik bei uns ohne Widerspruch
bleibt. Fr. Mühler
Endlich haben sich doch Ein-
sprüche erhoben. Professor Nuß-
banm schrieb kürzlich in der Zeit-
schrift für Sozialwissenschaft: „Es
gehört nicht zn den Ruhmes-
blättern der juristischen Kritik, daß
diese Schriften nicht sofort auch aus
juristischen Kreisen heraus die ge-
bührende Zurückweisung erfahren
haben." Ebenso befaßt sich mit
Düringer auch Ernst Fuchs in
seinem Buche „Recht und Wahrheit
in unserer heutigen Iustiz" (Ber-
lin, Carl Heymanns Verlag, (908).
Lachende Masken
^»er Schwank, die Anekdote, die
^"witzige Antwort, der kleine ko-
mische Vorfall — all das ist aus
Büchern und Schwanksammlungen,
deren Mittelalter und beginnende
Neuzeit sehr berühmte kannte, in
die Witzblätter übergegangen und
eine wöchentlich wechselnde Augen-
blickskost geworden. Damit verlor l
diese kleinste literarische Form be-
trächtlich, wurde stillos und ver-
achtet. Niemand denkt mehr dar-
an, daß sie eine Klassik hatte und
wieder haben kann, daß in ihr
Geist uud Geschliffenheit der
Sprache, Schärfe des Gedankens
und spielende Sicherheit des Aus-
drucks, Aberlegenheit, Bildung,
Lebenserfahrung gefordert sind; daß
sie, im winzigen Keim, Drama und
Novelle in sich trägt. Um des
Gefühls für diese Bedeutung der
kleinsteu Form willen sei hicr ein
Buch lobend erwähnt, das H. S.
Rehm unter dem Titel „Lachende
Masken" (Concordia, Berlin) her-
ausgegeben hat und das wieder
versucht, dem Schwank und der
Anekdote eine literarische Heim-
stätte zu bieten. Eine irgendwie
mustcrgültige Erfüllung dieses Be-
strebens ist diese Sammlung nun
allerdings noch nicht. Sie ist in
der Auswahl willkürlich und durch-
aus nicht immer geschmackvoll.
Neben glänzenden geistvollen Wor-
ten historischer Persönlichkeiten
stehen fast alberne Witze, wie man
sie heute nicht mehr in minderen
Witzblättern aufnehmen würde,
stehen schlimme Geistlosigkeiten,
welche die Person, der sie zuge-
schrieben werden, fast bloßstellen.
So zum Beispiel Seite (2( die
ganz törichte, von Gutzkow kol-
portierte Bemerkung: „Die Herren
Musiker gehen beständig mit
Schlüsseln um und wissen doch
selten über irgend etwas Auf-
schlüsse zu geben." Anderseits ist
lange nicht alles ausgenutzt, was
verhältnismäßig nahelag: wie die
zahlreichen köstlichen Anekdoten, die
Chamfort aufbewahrt, und anderes.
Dennoch hat das Buch zwei Ver-
dienste: das eingangs erwähute,
daß es versucht, die Form der
Anekdote wieder literarisch zu
machen; und zweitens das Ver-
Literatur
2. Iuliheft (909
97
schicken, wo Gedanken fragen und
auf Antwort warten. And wenn
man für derartiges Abtun „vom
Standpunkte dcs modernen Rechts"
uns Standesgenossen zu Mitschul-
digen machen will, so müssen aus
unsern Reihen Männer aufstehen
nnd sagen: das geht nicht.
Ich habe erwartet, daß sie auf-
treten würden, habe gewartet, bis
es so spät gtzworden ist. Es ist
keiner gekommen. So möchte ich
noch jetzt reden, damit es nicht
scheint, Nietzsches Wort spreche
Wahrheit: daß Deutschland Euro-
Pas Flachland sei. Mit Armeen,
Kriegs- und Luftschiffen und mit
nenen Stenergesetzen schützen wir
uns nicht gegen den geistigen Ban-
kerott, wenn, ganz gleichgültig, wo
Recht oder Ilnrecht, Wahrheit oder
Irrtum liegt, diese Methode der
Polemik bei uns ohne Widerspruch
bleibt. Fr. Mühler
Endlich haben sich doch Ein-
sprüche erhoben. Professor Nuß-
banm schrieb kürzlich in der Zeit-
schrift für Sozialwissenschaft: „Es
gehört nicht zn den Ruhmes-
blättern der juristischen Kritik, daß
diese Schriften nicht sofort auch aus
juristischen Kreisen heraus die ge-
bührende Zurückweisung erfahren
haben." Ebenso befaßt sich mit
Düringer auch Ernst Fuchs in
seinem Buche „Recht und Wahrheit
in unserer heutigen Iustiz" (Ber-
lin, Carl Heymanns Verlag, (908).
Lachende Masken
^»er Schwank, die Anekdote, die
^"witzige Antwort, der kleine ko-
mische Vorfall — all das ist aus
Büchern und Schwanksammlungen,
deren Mittelalter und beginnende
Neuzeit sehr berühmte kannte, in
die Witzblätter übergegangen und
eine wöchentlich wechselnde Augen-
blickskost geworden. Damit verlor l
diese kleinste literarische Form be-
trächtlich, wurde stillos und ver-
achtet. Niemand denkt mehr dar-
an, daß sie eine Klassik hatte und
wieder haben kann, daß in ihr
Geist uud Geschliffenheit der
Sprache, Schärfe des Gedankens
und spielende Sicherheit des Aus-
drucks, Aberlegenheit, Bildung,
Lebenserfahrung gefordert sind; daß
sie, im winzigen Keim, Drama und
Novelle in sich trägt. Um des
Gefühls für diese Bedeutung der
kleinsteu Form willen sei hicr ein
Buch lobend erwähnt, das H. S.
Rehm unter dem Titel „Lachende
Masken" (Concordia, Berlin) her-
ausgegeben hat und das wieder
versucht, dem Schwank und der
Anekdote eine literarische Heim-
stätte zu bieten. Eine irgendwie
mustcrgültige Erfüllung dieses Be-
strebens ist diese Sammlung nun
allerdings noch nicht. Sie ist in
der Auswahl willkürlich und durch-
aus nicht immer geschmackvoll.
Neben glänzenden geistvollen Wor-
ten historischer Persönlichkeiten
stehen fast alberne Witze, wie man
sie heute nicht mehr in minderen
Witzblättern aufnehmen würde,
stehen schlimme Geistlosigkeiten,
welche die Person, der sie zuge-
schrieben werden, fast bloßstellen.
So zum Beispiel Seite (2( die
ganz törichte, von Gutzkow kol-
portierte Bemerkung: „Die Herren
Musiker gehen beständig mit
Schlüsseln um und wissen doch
selten über irgend etwas Auf-
schlüsse zu geben." Anderseits ist
lange nicht alles ausgenutzt, was
verhältnismäßig nahelag: wie die
zahlreichen köstlichen Anekdoten, die
Chamfort aufbewahrt, und anderes.
Dennoch hat das Buch zwei Ver-
dienste: das eingangs erwähute,
daß es versucht, die Form der
Anekdote wieder literarisch zu
machen; und zweitens das Ver-
Literatur
2. Iuliheft (909
97