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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1909)
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Bonus, Arthur: Vom Aberglauben
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0369
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hunderte so weitergegebeu und neuerlebt wurde, wie sollte das nicht
eine besondre und geheimnisvolle Kraft über die Menschengemüter
bekommen!

Ls ist daher, daß alle Religion immer wieder den Aberglauben,
sei es als Entwicklungsanfang, sei es als Symbol, haben muß und
sich zurückerobern wird, wo sie ihn verloren hat. Ls ist eben deshalb,
daß der rationalistische Kampf gegen den Aberglauben so ziellos ist:
man muß den Abergang zum Symbol erleichtern, im übrigen aber
den Aberglauben als primitive Religion bestehen lassen. Ls ist aber
auch aus demselben Grunde, daß die Dichtung, und zwar vornehm--
lich diejenige, welche aus Stimmungen der Erhebung, der Weihe,
tieferen Sinnens, oder einer großen Begeisterung herausspricht, aber-
gläubischer Vorstellungen ungern ganz entbehrt, vielmehr von selbst
immer wieder auf dem Ähnliches zurückfällt.* A. Bonus

Lose Blätter

Aus Dichtunaen von Eilhard Erich Pauls, Gustav
Nenner und Zoseph Ponten

sZweierlei möchten wir mit den Proben in diesem Heft bietcn. Einmal
den Hinweis auf neue, gute und vorläufig nicht allzu weithin bckannte
Bücher, denen wir weitere Verbreitung wünschen als mancherlei anderen,
welche auf dem gerade jetzt so geräuschvollen Tagesmarkt sich lauter
als sie vordrängen. And zugleich glauben wir mit diesen Proben einen
Ausblick auf manche neuen, in den letzten Iahren sozusagen unter der
Decke des jeweils Modernen erstarkten Keime und Triebe zu ermöglichen.
Dazu seien ein paar Worte vorausgeschickt. Es soll hier nicht Wert und
Unwert der literarischen Strömungen ancinander abgemessen werden,
die wir naturalistisch und realistisch zu nennen jctzt gewöhnt sind; mag
sein, dag insbesondere der Naturalismus das Weltbild der Poeten gegen-
über dem der von ihm vcrdrängtcn Periode wcsentlich vertieft hat —
daß er's auch erweitert habe, wird kaum jemand behaupten. Es
lag vielmehr im Wesen der neuen Technik, daß sie sich mancher früher
beliebter und weder menschlich noch idcell unbedeutcnder Gegenstände
schlechterdings nicht bemächtigen konnte. Das historische und das Phantasie--
drama, dcr philosophische Noman, anschauliche Phantasie- und Ideen-
dichtung — das sind einige Schlagworte, die solch durch die Technik
„Vcrtriebenes" andeuten. Auch die sogcnannte Ncuromantik — wesent-
lich dem Kultus sprachlicher Fertigkeit und sensitiver Seelenerlebnisse
zugewandt — brachte nur einen Bruchtcil der bunten Welt von heute

* Mit diesen Erwägungen möchte ich zugleich auf ein Buch hin-
gewiesen haben, das feste naturwissenschaftliche Bcgründungen für einiges
von dem Angedeuteten gibt, und das ich nicht anstehe, als ein im be-
sondern Sinne kostbares Werk zu bezeichneu: Carpenters von Karl Federn
(soweit ich urteilen kann) schr gut übersetztcs Vuch: „Die Schöpfung als
Kunstwcrk". Der Originaltitel scheint zu lautcn: Das Kunstwerk der
Schöpfung. Erschienen ist die deutsche Ausgabe bei Eugen Diederichs
in Iena.



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