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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 7 (1. Januarheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0048
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auch so etwas gemacht haben, stört
deu Unternehmer nicht, also sagt
er: machen wir! Konrad W. Meck-
lenburg in Berlin rief, und Bahr,
Bierbaum, Ernst, Eulenburg, Ewers,
Falke, Hirschfeld, Holländer, Mey-
rink, Gabriele Reuter, Olga Wohl-
brück und Ernst von Wolzogen
kamen. Nun liegt er da, „Der
Roman der XII". Bei einem
Preisausschreibcn für Dilettanten
wäre das Prinzip der Arbeitstei-
lung in der literarischen Produk-
tion vielleicht besser zu verwerten.
Aber hier stimmt das nicht, die
Leute, die in diesem Buche ihre
Muse seiltanzen lassen, gehören
nicht zu denen, die zu zwölft immer
und unter allen Umständen ein
Duhend ausmachen. Es ist ein
Schcrz, zugestandcn; die Autorcn
parodieren sich selbst und einander
und bemühen sich, man merkt's,
beileibe keinen Ernst aufkommen
zu lassen. In einer Bierzeitung
hätte dieser Ulk sich vielleicht ganz
literarisch ausgenommen, in der
Öffentlichkeit kommt er auf eine
Art Variets hinaus. Zur Zeit
dcs Äberbrcttls war eiumal eine
Karikatur im Simplizissimus zu
sehcn: Schiller muß, um mit seinen
Kollegen von heute konkurrieren
zu können, sein Lied von der Glocke
zur Laute vortragen, während er
eine Lampe auf dem Kopfe balan-
ciert. Von diesen Autoren hier
balanciert jeder mit dem eignen
Licht und mit denen der Herren
Kollegen. Auf vierhundert Sei-
ten verdünnt, schmeckt der Spaß
nach und uach etwas fade. Aber
die Entrüstung, dic sich schon hören
läßt, verstehn wir auch wieder nicht
recht: warum soll uuter den Mh-
riaden Büchcrn nicht einmal auch
solch eines in die Leserschaft
laufen? Es wird immerhin auch
von Scherzhaftem doch recht viel
Geistloseres gelesen.

h Ianuarheft WO

Berliner Theater

an glaube ja nicht, daß die
Geschichte oder dic Volksüber-
lieferung dem Dichter je einen
Stoff oder auch nur eine Gestalt
fertig entgegenbringt. Auch dem
Komödiendichter nicht, wenn er sich
zum „Helden" eine Figur wählt, die
von den Iahrhunderten bereits mit
einem Nimbus fröhlichcn Narren-
tums umkleidet worden. Das haben
Lienhard, Euleuberg, Fuchs uud
Gumppenberg erfahren müssen, als
sie sich an den derben Schalks-
narren Till Eulenspiegel und an
den bezopftcn Lügenbaron Münch-
hausen machten; und nicht anders
wird es Otto Falckenberg er-
gangen sein, als es ihn reizte, in
den Dichterhimmel der glorifizier-
ten Scherzhelden den „Doktor
Eisenbart" aufzunehmen, jenen
marktschreierischen Wunderdoktor
der Barockzeit, dem das Studen-
tenlied des s8. Iahrhunderts mit
hanebüchcnen Abertreibungen zur
Unsterblichkeit verholfen hat. Ver-
suche doch mal jemand, den kcines-
wcgs kargen Inhalt jener zehn
Strophen aus dem Kommersbuch
auf die Lustspielbühne zu ver-
pflanzen, vom trepanierten Koch
des großcn Friedrich an bis auf
den alten Kuaben von Osnabrück,
der von seinem Podagra durch
Amputation beider Beine kuriert
wurde! Er wird im günstigsten
Falle eine Posse oder einen
Schwank dabei herausschlagen. Und
doch licgt der Keim der Komik
auch schon in dem Studentenliede.
Nicht in Worten ausgedrückt, nur
angedcutet in der Form, in dem
feinen Zug, daß der großmächtige
Kgl. Großbritannische uud Kurfürst-
lich Braunschweig-Lüneburgische pri-
vilegierte Laudarzt, Königlich preu-
ßische Rat und Hofokulist von
Magdeburg wie ein professionierter
Marktschreier selbst auf die Tri-

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Theater
 
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