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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 9 (1. Februarheft 1910)
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Landsberg, Julius F. ...: Frauenfrage und Gerechtigkeit
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Nidden, Ezard: Maarten Maartens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0192
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er schwere Gewissensfragen und Gewissenskonflikte. Das Durch-
schnittsweib könnte eben wegen der Eigenart seiner Gewissenhaftig-
keit an diesen Fragen sehr leicht zerbrechen. Bei Frauen bemerkt
man oft eine stärkere, sie aber auch mehr quälende Gewissensarbeit
an den ihnen gestellten Aufgabcn, als bei mit gleicher Pflicht be-
ladenen MLnnern. Diese Zermarterung durch das Gewissen, in mancher
Lage eine Tugend und für die Sache ein Dorteil, stellt in andern,
Fällen eines der aus der Natur der Frau quellenden Hindernisse
dar, in gewissen Berufsarten ohne Schaden für ihre Gesundheit dem
Manne gleichzubleiben. Wenn der Mann die Sitzung hinter sich
hat, so ist verhältnismäßig bald abgestreift, was ihn darin beschäfttgt
und sein Gewissen belastet hat. Neue Bedürfnisse, neue Eindrücke
finden ihn freier und elastischer als die Frau. Das Weib —
Ausnahmen gibt es natürlich — wird so bald nicht fertig mit dem
Lrlebten. Mächtig klingen die Töne nach und vermögen es oft,
ihre Gewissensruhe unh auch ihre Nachtruhe auf längere Zeit hinaus
zu beschädigen. Die neu herandrängenden Arbeiten und Aufgaben
werden durch die Belastung mit den Gedanken der bereits erfüllten
erschwert und oft so durchsetzt, daß sie ein ihrem Wesen fremdes
Gepräge erhalten, ein Nachteil auch für die Sache, mehr aber für
die Nervenkraft der Arbeitenden.

Diese Gefahren der Selbstzerstörung sollten die einzelnen Frauen
zu ernstester Prüfung veranlassen, ob sie den Anforderungen der
Berufe gewachsen sind, die sie selbst und damit ihre etwa zu er-
wartende Nachkommenschaft schädigen könnten. Aber wir müssen
wieder sagen: für unsre Staatsgewalt ziemt es sich nicht, den
Gedanken des gewerblichen Frauenschutzes auch auf Berufe und Per-
sonen auszudehnen, die derartigen Schutzes nicht bedürfen, weil sie
selbständig entscheiden können. Bei gewissen Berufen kann der Schutz-
gedanke doch nur als Vorwand betrachtet werden. Nnd in dem
gleichen Augenblicke, in dem man den aus der Zeit der Geschlechts-
vormundschaft stammenden Zweckgedanken nicht mehr sür richtig hält,
in dem Schutzgedanken oielmehr nur noch einen Vorwand aufbaut,
hinter dem man ein grundloses Nichtwollen birgt, in diesem Augen-
blicke wird das Versagen nicht mehr von Zweckmäßigkeitserwägungen
gedeckt; es wird dann eben wirklich zur Nngerechtigkeit.

Landsberg-Lenncp

Maarten Maartens

^ckv^ürden im internationalen Getriebe die Ehren nach Wert und
^I^^Können allein erteilt, so gebührte Maarten Maartens wohl
ein Platz neben den Großen, neben Zola, Tolstoi, Strindberg,
Ibsen. Aber wenn man gesagt hat, daß diese Großen ihren Ruhm
nicht allein ihrer künstlerischen, sondern ebensosehr ihrer historischen
Bedeutung verdankten, so ist damit begründet, warum gerade Maartens
im Bewußtsein der Gegenwart noch nicht die Stellung einnimmt, die
ihm gebührt. Der Franzose, der Russe, der Schwede, der Norweger
erstanden in Augenblicken der Aufregung und künstierischen Sehnsucht,
sie konnten Führer und Erfüllcr sein; das ruhige Ländchen der Kanäle
und Geldsäcke sah keine literarisch kulturelle Sehnsucht, es war kein

I,- Februarheft lZlO

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