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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 13 (1. Aprilheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0073
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hatte, daß er die Ausdrucksmittel
seiner Kunst vollstäudig beherrschte.
Auch iu unsern Tagen wird,
glaube ich, kein Genie an solcher
Zumutung scheitern.

Es liegt im Interesse des Publi-
kums und ebenso der Künstler
selbst, daß nach Möglichkeit eine
klare Linie zwischen Künstleru uud
Dilettanten gezogen wird. Diese
geforderte Unterscheidung hat aber
nur dann eine praktische Bedeu--
tung, wenn ein Befähigungsuach--
weis verlangt wird. Hierbei darf
es sich freilich nur darum han-
deln, ob der Bewerber die Technik
und die Ausdrucksmittel seiner
Kunst sicher und mühelos anzu-
wendeu versteht.

Iene Künstler, die auf Grund
ihres Könnens Anspruch er°
heben dürfen auf den Rang und
Titel eines Meisters, haben aller-
dings ein moralisches Necht auf
Schutz und Förderung ihres Schaf-
fens. Für diese Männer sind
Iurhs sinnlos und gefährlich. So-
weit es sich um Meister han-
delt — ich fasse den Begriff nicht
so eng, wie er hcute meist um°
grenzt wird —, scheinen mir die
programmatischen Ausführungen
des Deutschen Künstlerverbandes
sehr wertvoll. Der Künstler soll
selbst bestimmen dürfen, welche
Bilder ausgestellt werden.

Anser Ausstellungswesen ist in
der Tat sehr reformbedürftig. Die
Losung laute: Äußerste Strenge
gegen Pfuscher und Dilettanten,
größte Freiheit für wirkliche
Künstler! Ich sage voraus: Für
Ausstelluugen auf dieser Grund-
lage wird das vielgcschmähte Publi-
kum bald eine starke und fruchtbare
Teilnahme zeigen.

Georg Martin Nichter

DieMünchner„Anatornie"

^-n der räumlichen Ausgestal-
Otung des Erweiterungsbaues
der Münchner Universität (vgl.
Kw. XXIII, U tritt deutlich das
Bestreben zutage, durch die Archi-
tektur eine glänzende Repräsenta-
tion der Aniversität darzustellen.
Dieses Streben nach monumentaler
Repräsentation führte zwar nicht
zur „Stilarchitektur", aber doch zur
künstlerischen Verwendung antiker
Bauformen. Der Architekt als ein
vorzüglicher Raumdisponent hat
die Elemente antiker Formen-
sprache klug benutzt und eine sehr
geschmackvolle Verbindung mit
modernen Konstruktionsformen be-
wirkt. Dabei zeigte sich wieder
die große Anpassungsfähigkeit des
Eisenbetonbaues, wie sie sich bereits
bei einer stattlichen Anzahl von
Kirchen, Domen, Theatern er-
wiesen hat. Die besondre Stel-
lung aber, die der Eisenbetonbau
in der modernen Raumkunst ein-
nimmt, tritt noch stärker hervor
an einem andern Münchner Ani-
versitätsbau, der Anatomie, der
schon drei Iahre vorher (905—(907
entstanden ist. Hier wurde nicht nur
Eisenbetonbaues, wie sie sich bereits
als Baumaterial angewandt, son-
dern es erhielt das Bauwerk den
ausgesprochenen Lharakter eines
Eisenbetonbaues auch dadurch, daß
die Fassaden in unverklcidetem
Eisenbeton hergestellt wurden. Die
Decken der Innenräume, bei denen
man ähnlich wie bei der Zeutral-
halle der Universität häufig das
antike Motiv der Kassettendecke ver-
wandte, ferner die Dachkonstruktion,
vor allem aber die Vollkuppel über
der mittleren Gruppe des Baues
sind in Eisenbeton ausgeführt.
Dieser moderne Baustoff erweist
sich auch da, wo es sich nicht nur
um die exakte Durchführung eines
Baues handelt, der „billig" sein

(. Aprilheft (M 59

Angewandte

Kunst
 
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