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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1910)
DOI Artikel:
Nidden, Ezard: Björnstjerne Björnson
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0269
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Kampf war er geboren. UnL er hatte Freude an seiner Rolle wie
jeder echte Theatermann, vorzüglich wenn er sie laut sprechen durfte.
So empfanden ihn die sehr Geistigen seines Volkes als zu aufdring-
lich. Anter den jüngeren Literaten des Nordens findet man eine
etwas abwehrende Haltung gegen Björnson.* Es ist gut, daß wir
Björnson nicht unter diesem Gesichtswinkel sehen. Für uns kommt
alles Gesagte nur in Betracht, soweit es den Dichter Björnson mit
bestimmt hat. Von diesem ist im folgenden zu reden.

IZI

Iedes dichterische Schaffen hat zur Nrquelle jene geheimnisvolle
Kraft der Zeugung, über deren Lntstehen wir nichts aussagen können,
die aber immer als Prinzip gesetzt werden muß. Es ist überliefert,
daß Björnson in früher Iugend schon über diese Kraft in sich klar
war und darum dem Beruf des Dichters zustrebte. Seine wenigen
Examina hat er widerwillig und schlecht genug bestanden. Sein Leben
hat bewiesen, daß er recht hatte, sich als Berufener zu fühlen.

Dennoch dürfen wir fragen, welche Anstöße von außen seinem
Schaffen die Richtung gegeben haben, welche Zeit-- oder Ewigkeits-
fragen es erfüllten. Da muß es denn wundernehmen, und es ist
ein Zeichen einer starken Persönlichkeit, wie deutlich von Anfang
an die eigene Natur sein Werk geprägt hat. Nicht nur, daß er schon
in seinem ersten Stück** Konflikte seines eigenen Daseins dichterisch
verwertet, sondern auch sein Stil ist bereits sein wohlbeherrschtes
Eigentum, obwohl die starken Einflüsse, die man von den alten
Sagen Norwegens her darin finden will, in der Tat unverkennbar
sind. Noch weniger wollen diese Anregungen für die Gestaltung
seiner berühmten Bauernnovellen — sie zählen zu seinen frühesten
Werken — bedeuten. Viel stärker spricht aus ihnen eine wirkliche
Erfahrung in der lebendigen Nmgebung seiner Heimat. Davon be-
richtet auch sein Biograph Collin ausdrücklich, daß Björnson mitten
im Bauernleben und im kindlich-freundschaftlichen Verkehr mit den
Bewohnern der väterlichen Pfarre aufgewachsen sei. — Ideell wirkt
am stärksten in diesen Iugendwerken die Religiosität des Dichters.
Björnsons Vater war Pastor und Björnson selbst ist lange Zeit recht-
gläubig gewesen; Frömmelei und Eiferei lehnte aber seine kräftige
Natur auch in seiner Iugend triebmäßig ab. Schon in einer glänzen-
den Szene seines „Fischermädchens" führt er pietistische Neigungen
mit scharfer Dialektik aä absuräum; im Grunde redet er da seiner
eigenen Lebensweise das Wort. Er hat wie Goethe das unvergleich-

* Auch Georg Brandes findet in Björnsons größtem Roman zu viel
volkserzieherische Absicht. Ich vermag ihm darin nicht zu folgen. Es
scheint vielmchr, daß er wie so viele den Ausdruck optimistischer Stim-
mung und kräftiger Persönlichkeit für „Tendenzkunst" erklärt. Die Kunst,
das ist der Grundgedanke, soll objektiv, soll nur Spiegel des ungefärbten
Lebens sein. Björnson hat diesem Asthetenideal kaum je genügt. Er
ging auf Wirkung aus, — seine Absichten lenken aber den Verlauf seines
Romans nicht wie ein äsus ex macbins, und doch wäre das allein ein
berechtigter Vorwurf.

** „Zwischen den Schlachten". (Deutsch in Reclams Universal-Bibliothek).

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