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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,2.1911

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Heft 7 (1. Januarheft 1911)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9018#0077
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schreint eiir bißchen im Herzen, das
so früh und unfreiwillig Feier-
abend machen muß, aber am Ende
besteht doch alles Glück gerade
in der Temperierung der Gefühle,
und die hochsinnige Frau Gemah-
lin, die es ohne eine Spur von
Brutalität fertiggebracht hat, alle
Schuld der „Person" in die Schuhe
zu schieben, wird ja immer noch
eine ganz passable Erbin der welken
Gefühlchen sein. Ia, die Kohlen
sind verglommen, Asche bedeckt ihre
Glut, aber eine wunde Wehmut,
eine wohltuende Melancholie zit-
tert nach, und in solchen Neben-
tönen liegt der Neiz dieses Erleb-
nisses und dieses Stückes, wie die
Schönheit mancher Tage in dem
feinen Nebelflor liegt, der alles
umspinnt; und wie solch ein Tag
nicht weiß, ob er -den Regen weinen
oder die Sonne lachen lassen soll,
so kann sich auch dieses Stück
weder zum Schauspiel noch zum
Lustspiel entschließen und etabliert
sich deshalb achselzuckend als Ko-
mödie.

Der „Engel" weiß von vorn-
herern, was er ist und werden
will: nur die Heldin eines Lust-
spiels. So ein flügelbegabtes
Wesen wie diese Antoinette ist für
Fesseln so wenig geschaffen wie für
Konflikte. Sie kehrt dem bra-
ven Notar den Rücken, als er sich
einfallen läßt, ihr Moralpauken
wegcn ihrer Verschwendungssucht
und Spielwut zu halten; sie wird
die Geliebte und um ein Haar
sogar die Gemahlin des rosigen
Landjunkers Saintfol; sie kehrt im
Geschwindschritt zu ihrem Notar
zurück, als der temperamentvoll

! seine trotz neuer Verlobung nicht
^ erloschene Iärtlichkeit für sie ver-
rät und die Mittel des guten, aber
doch etwas plumpen Saintfol über
Erwarten schnell erschöpft sind;
sie nimmt schließlich auch mit dem
Dritten, der bisher wie ein guter,
folgsamer Onkel geduldig wartend
abseits staud, vorlieb — sie ist und
bleibt versagend, gewährend, erfül-
lend, enttäuschend, beglückend, fol-
ternd ein — Engel. Alle Morali-
täts-, Schuld- und Unschuldsbe-
griffe sind hier ausgeschaltet, alles
löst sich in ein Plaudern, ein
Lächeln, ein Spielen auf, die Frau
ist der Preis, der sich bald diesem,
bald jenem schenkt, ohne daß der
Gewinner große Freude, der Ver-
lierer großen Schmerz davontrüge.
Und dieser Kunst der Balance
wird es denn auch gar nicht schwer,
just immer das Gegenteil von dem
zu tun oder zu lassen, was wir
erwartet haben, und es immer von
neuem neu und überraschend zu
motivieren. Ein Nichts im Nichts

— aber ein Nichts, das aus dem
Bewußtsein seines Nichts eine Ar°
tigkeit und eine Delikatesse zn
machen weiß, die den Gaumen labt,

— Vorausgesetzt, daß man schon ge-
speist hat oder entschlossen ist, es
anderswo noch zu tun.

Friedrich Düsel

Auch ein Theaterzettel

ämlich: der auf der nächsten
Seite oben abgebildete ist einer:

Und zwar — der amtliche
vom Opernhause in Köln! Nicht
verkleinert macht er sich natürlich
noch „imposanter".

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