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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1912)
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Avenarius, Ferdinand: Friedrich: zum 24. Januar 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0103
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Iahrg. 25 Zweiles Ianuarheft 1912 HefL8^

Friedrich

Zum 24. Ianuar 1912

ls ich Knabe war, bekam man in Berlin dann und wann noch
Silbergroschen mit dem alten Fritz. Wenngleich sie nicht mehr
^^aus der Lphraimitenzeit stammten, der Geschäftsmann sah sie
doch mißgünstig an, denn Friedrichs Haupt leuchtete darauf in einem
indianischen Rot kupserischer Herkunst. Uns Aungen aber verlockte
keine Wnrstschrippe und kein Pfannkuchen, Fritzengroschen wieder weg--
zugeben. Nicht etwa, weil wir „Münzen" sammelten; was noch mit
Geldwert umlief, war für unsern Sammlungsbegriff keine „Münze",
und gerade deshalb, weil diefe Stücke noch umliefen, wennfchon
als „falfches^ Geld, gerade deshalb waren sie uns so viel. Wir fühl--
ten, als wäre ein leifes persönliches Zunicken dabei von dem, der sie
fortgeschickt hatte bis in nnsre Hand. Und ein noch so leiser, aber ein
Grußhauch vom alten Fritzen — uns stieg das Blut in die Backen,
ftellten wir uns das nur vor. Wohl: wenn wir Iungen noch in den
sechziger Iahren so fühlten, wie mocht es zu Friedrichs Lebzeiten ge--
wesen sein! Immermann erzählt davon, daß er als Kind zwifchen dem
Könige nnd dem lieben Gott eigentlich keinen Unterschied machen
konnte. Selbst in bayrischen katholischen Bauernhäusern fand man
bekanntlich Friedrich gelegentlich zwischen Heiligen. Alles sah zn
ihm, alles sprach von ihm, bis nach Asien nnd Afrika hinein. Dieser
„Markgraf von Brandenburg" hat ohnegleichen auf Fühlen und
Phantasie gewirkt. Im Leben selber, außerhalb der Kunst, war er
gewiß das größte ästhetische Ereignis, war er so sicher die größte ge--
schichtliche Naturschönheit seiner Zeit, daß wir Heutigen nachsinnen
müssen, was denn in weitem Abstande als zweite hinter dieser kam.

Aber wenn der ästhetische Lindrnck „Friedrich" immer mächtig war,
so war er doch sehr verschieden für den Einzelnen.

Den Iungen und dem Volke von Knabenart war dieser König in
seiner Iugend schlechthin der Held, nicht in irgendwie vertieftem,
vergeistigtem, verwickeltem Wortsinn, sondern der Naturbursch-, wenn's
besser klingt, der Siegfried-Held, dem Schild, Schwert und Auge
blitzt. Der „alte" Fritz dagegen war ihnen das Muster des besorgten
Staathausvaters, auch der Gucker in alle Töpfe, der gutmütige Polte-
rer auf dem mit den eignen Iugendarmen so hoch gezimmerten Thron.
Man dichtete ihn sich eben nach eignen Bedürfnissen und nach eignem
Gesichtskreise zurecht/ Die Reifen und Gebildeten taten's ja auch
nicht anders. Den meisten Ofsizieren war er der große Kriegsmann,
den meisten Beamten der gescheite aber harte Tyrann, den Schöngeistern

* Wie fest diese Mythen sitzen, davon zeugt am besten die von der
Mühle von Sanssouci. „Es gibt noch Nichter in Berlin!" Der Müller
hatte zu solchem Ausrnf wahrlich keinen Grund, denn Friedrich hatte
ihm sogar die Pacht erlassen, damit er die Mühle dort ließe, wohl,
weil sie ihm im Landschaftsbilde gefiel.

2. Ianuarheft M2 73
 
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