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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,2.1912

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Heft 8 (2. Januarheft 1912)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9026#0151
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und alle anderen erzeugt?) — als ob alle Völker der Welt, auch England,
wenn es ausharrt, sich nrehr und mehr eines solchen Mannes, seiner
Taten und Leistungen erinnern werden — mit ganz anderen Gefühlen, als
sie gegenwärtig möglich sind!

Rundschau

Fromme Wünsche

ine Gravüre in diesem Heft zeigt
nach Bernhard Mannfelds feiner
Radierung das Gruftgewölbe der
Potsdamer Garnisonkirche, in dem
neben dem Sarge von Friedrichs
Vater sein eigner schlichter und vor-
nehm-schöner steht. Die Stätte ist
nichts weniger als stimmunglos; alle
guten Geister des Altpreußentums
summen von halbvergessenen Siegen
durch die alten Fahnen, zumal,
wenn die Lebenden unter dieser
Orgel in Waffenröcken beten. Fried-
rich Wilhelm I. gehört hierher. Und
Friedrich der Große? Nun erinnert
man sich daran, daß Friedrich hier
gegen seinen ausdrücklichen Willen
beigesetzt ist. Daß er selbst dieses
Preußentum, dem er sein ganzes
Leben in einer Pflichterfüllung ohne-
gleichen opferte, doch nicht als sein
letztes Wesen erschöpfend empfand,
doch nicht als seines „Herzens Herz",
daß er nicht in Feindschast gegen
die Kirche, aber außerhalb ihrer
Mauern beigesetzt werden wollte.
Auf Sanssouci, unter der Flora,
„wenn ich dort bin, werde ich ohne
Sorgen sein". Mitten unter den
Gestaltungen seines Lsbens, nahe
seinem Arbeitzimmer und all den
Stätten des Verkehrs der ihm be-
freundeten Geister, nahe seiner Bil-
dergalerie, umgeben wse von treuen
Wächtern von seinen lieben Wind-
spielen, vom Grün umfächelt, von
Vögeln umsungen, über Potsdam
und den märkischen Seen, und doch
sür sich, wie er gelebt.

Ein seltsamer Gedanke taucht auf.
Sollte die Kultur unsrer Zeit sich

zu der Tat aufraffen können, Sans-
souci wieder herzustellen, wie es
zu Friedrichs Zeiten war? Es
brauchte keine klügelnde Restaura-
tion dazu, es brauchte im Wesent-
lichen nichts dazu als ein Aus-
räumen. Ein Ausräumen all
dieses neuen plastischen Krams aus
dem Park, der sich dort auf die
Plätze stellt, die mit so bewußter
Absicht eines guten Geschmacks leer
gelassen waren, ein Ausräumen vor
allem der Steinfigur des sterbenden
Friedrichs aus seinem Sterbezim-
mer, die, gut an sich, <rn dieser Stelle
zur Panoptikumfigur entweiht wird
und dadurch ihrerseits den geweihten
Raum entwürdigt. And als Ab-
schluß und Krönung des Werkes
Friedrichs Äberführung dorthin, wo
er zu ruhen sich selbst bestimmt
hat. Ganz Sanssouci wäre fortan
sein eignes Monument, ünd eins, das
wie kein zweites auf der Welt von
dem zeugte, der sich's gesetzt . . .

„Verschwinde, Traum!" Fried-
richs Testament bezeugt zwar in
jedem Wort, daß ihm auch über
seiuen Tod hinaus nichts wichtiger
war als das Staatswohl, aber, ob er
auch durch sein Leben bewiesen
haben mochte, daß er sich darauf
einigermaßen verstand, Friedrich
Wilhelm II. war doch von seinen
Mätressen und Hokuspokusmachern
her darüber besser unterrichtet. Dem
Mächtigsten in Preußen ward sein
Wille über dieses Wenige eigner
Erdenreste von seiner Zeit nicht
ersüllt. And wenn wir uns darüber
empören, so mögen wir fragen, ob
dran zu denken wäre, daß die unsrige

^ 2. Ianuarheft 19^ W

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